Ruhig und zugleich zentral gelegen sollen Wohnungslose künftig am geplanten Standort ein sicheres Zuhause finden können. Bäume umgeben die Lichtung, ein kleiner Teich ist in der Nähe, es gibt viel Grün - und nur wenige Meter entfernt ist die Cappeler Straße mit Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr und an die Innenstadt. Entstehen soll ein VinziDorf nach dem Vorbild der österreichischen Vinzi-Werke - eine Siedlung mit kleinen Häusern für Obdachlose, ergänzt um ein Verwaltungs- und Gemeinschaftsgebäude.
»Menschen werden durch Schicksalsschläge obdachlos und sind auf Hilfe angewiesen. Es ist nicht nur unsere Pflicht, sondern auch eine Herzensangelegenheit, ihnen Unterstützung und ein sicheres Zuhause zu bieten«, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies bei der Vorstellung des geplanten Standortes.
Tiny-Häuser und pädagogische Hilfe
»Mit dem VinziDorf soll ein weiterer betreuter Ort entstehen, an dem etwa zwölf obdachlose Männer leben können, wenn es für sie keine andere Perspektive gibt«, ergänzt Stadträtin und Sozialdezernentin Kirsten Dinnebier. Gebaut werden sollen auf dem Vitos-Gelände kleine Häuser mit grundlegender Möblierung und sanitärer Grundausstattung, wie GeWoBau-Geschäftsführer Jürgen Rausch erklärt. Die Häuser werden acht Quadratmeter groß und gruppieren sich an das zentrale Gemeinschaftsgebäude, in dem städtische Ansprechpersonen sein werden.
Start wohl frühestens 2024
Das bauliche Konzept geht zurück auf die Idee für die Gestaltung von VinziDörfern in Österreich, die vom Architekturbüro gaupenraub+/- aus Wien entwickelt wurde. Alexander Hagner und sein Team haben den Standort als sehr gut geeignet bewertet. Das Wiener Büro soll auch die Ausführungsplanung für Marburg übernehmen. Bevor gebaut werden kann, muss allerdings noch ein Bebauungsplanverfahren durchgeführt werden. Auch das Grundstück muss die Stadt noch von der Vitos-Klinik erwerben. Gebaut werden könnte dann voraussichtlich ab 2024/2025. Angesichts des frühen Planungsstadiums möchte Rausch noch keine genauen Kosten benennen. Allerdings werde das VinziDorf deutlich günstiger, als es Geschosswohnungen für den gleichen Zweck wären. »Und das, obwohl es sich um eine deutlich besser auf die Bedürfnisse der Zielgruppe zugeschnittene Lösung handelt«, berichtet Jürgen Rausch.
Kritische Anmerkungen zur Vorstellung
Den Standort haben Stadt und GeWoBau sorgfältig ausgewählt. Geprüft wurden mehrere Möglichkeiten. Gemeinsam mit Betroffenen und mit Einrichtungen wurden in einem Beteiligungsverfahren Standortkriterien entwickelt, die wohl durch die Fläche an einer früheren Grillhütte erfüllt werden. »Es ist wichtig, dass wir dieses Projekt gemeinsam angehen und möglichst breit mit der gesamten Stadtgesellschaft tragen«, erklärt das Stadtoberhaupt. Bei der Idee für ein VinziDorf beteiligen sich viele Menschen aus der Stadtgesellschaft und aus verschiedenen Initiativen - ebenso wie natürlich von Obdachlosigkeit Betroffene - an den Planungen, an der Standortsuche und an den Kriterien. Sie wollen sich außerdem am Bau der Häuser, am Anlegen von Gärten oder in der Nachbarschaftsarbeit einbringen.
Um die künftigen Nachbarn mitzunehmen und einzubinden, hatte die Stadt sie nun bei einem Grillfest am Standort des VinziDorfes informiert. Oberbürgermeister Spies, Stadträtin Dinnebier, GeWoBau-Geschäftsführer Rausch und die städtischen Fachdienste standen bereit, um Fragen zu beantworten und über die Gedanken und Anmerkungen der Nachbarschaft zu sprechen.
Einige der Anwohner, die zur Vorstellung der Stadt erschienen waren, fragten etwas genauer nach. Themen waren der mögliche Wegfall des jetzigen Parks und auch die direkte Nähe der künftigen Bewohner zu einem Kindergarten und einer psychiatrischen Klinik. Das Projekt soll nun weiter vorgestellt werden, auch in der Hansenhausgemeinde und im angrenzenden Stadtteil Richtsberg im Ortsbeirat.