Jochen Friedrich hat nicht nur das erste E-Auto in die Stadt gebracht und die Abfalltrennsysteme mitrevolutioniert, sondern er war auch an der Einführung der Umweltzone, am Aufbau des Leihrad- und Carsharing-Systems und vor allem aber am ambitionierten Klimaaktionsplan 2030 für Marburg beteiligt.
Bei der Verabschiedung des Fachdienstleiters für Umwelt-, Klima-, Naturschutz und Fairer Handel überreichte ihm Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies die Goldene Ehrennadel der Stadt. »Jochen Friedrich hat unsere Stadt verändert und im Klima-, Umwelt- und Naturschutz weit vorangebracht. Im Laufe seiner Dienstzeit hat sein Aufgabenspektrum eine dramatische Zunahme erfahren und er hat alle Aufgaben mit großem Engagement ausgeführt. Dafür bedanke ich mich - auch im Namen aller Bürger«, würdigte der Oberbürgermeister Jochen Friedrich.
Aus dem »Pott« an die Lahn
Aus der Stadt Marl kam er mit den Eindrücken des durch den Steinkohleabbau und die Kokereien grau gefärbten Ruhrgebiets 1979 zum Studieren an die Philipps-Universität. Die Wahl des Studienfachs Geographie traf Friedrich, weil er sich besonders für Umwelt- und Naturschutz interessierte. Ab 1982 studierte er zudem Bodenkunde in Gießen. Nach Abschluss des Studiums und einer zusätzlichen Ausbildung zum Umweltberater begann Friedrich seine Tätigkeit zunächst in der Gemeinde Cölbe und wechselte 1989 als Diplom-Geograph in das Umweltamt der Stadt Marburg.
Viele Projekte angestoßen und umgesetzt
Ab 2013 als Fachdienstleiter des Fachdienstes Umwelt-, Klima-, Naturschutz und Fairer Handel brachte Friedrich seine Expertise in zahlreichen Projekten ein. »Wir haben uns von Anfang an um ›Problemfälle‹ gekümmert, sei es die damals existierende Metallsammlung, die Verwertung von Elektroschrott, verunreinigten Bioabfall, Schadstoffe in Liegenschaften oder Luft- und Lärmprobleme«, sagt Friedrich. Lösungen fanden sich eigentlich immer, so Friedrich.
So wurde die Universitätsstadt etwa noch vor den heute gültigen gesetzlichen Regelungen zum Vorreiter im Landkreis in der Beseitigung von Elektronikschrott, entwickelte die mobile Abfallberatung mit dem Team der Praxis gGmbH, veröffentlichte mehrsprachige Broschüren zur Abfalltrennung und errichtete die Unterflursysteme für Glas an Orten in der Stadt, an denen ein oberirdischer Glascontainer keinen Platz findet.
Auch die Leitung des Klimaschutzes hatte Jochen Friedrich nach dem Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zur Ausrufung des Klimanotstandes 2019 inne. »In den Bereich Klimaschutz stecken wir viel Energie. Große Projekte waren und sind die Erstellung des Klimaaktionsplans 2030 und Förderprogramme für Privatpersonen für Dämmung, Photovoltaik, Umstellung von Heizungen auf regenerative Energie, Elektroräder, E-Lastenräder und seit kurzer Zeit auch für Fahrradanhänger«, sagte Friedrich. »Viele schöne Erinnerungen verbinde ich auch mit den Aktionen zum ›Fairen Handel‹. Hier bin ich mit unglaublich engagierten Bürgern in Kontakt gekommen.« Unter seiner Leitung wurde Marburg zur ersten Fairtrade-Stadt in Hessen und erreichte 2009 den ersten Platz im Wettbewerb »Hauptstadt des Fairen Handels«.
Ein Bereich, der den Diplom-Geographen während seiner gesamten Dienstzeit beschäftigt hat, ist die Abfallwirtschaft. Friedrich wirkte bei der Erstellung der Abfallsatzung und der Einführung neuer Abfalltrennsysteme für Verpackungsmüll und Bioabfall mit.
Umweltschutz und Nahmobilität
Ein weiterer Arbeitsbereich ist der Umweltschutz. Hier legte Friedrich großen Wert auf Umweltpädagogik, initiierte Exkursionen und Bildungstage an Schulen und Umwelterfahrungsangebote wie den Flusskindergarten an der Lahn.
Im Bereich Mobilität setzte Friedrich früh auf Systeme für Carsharing und Fahrradverleih.
Ein weiteres großes Projekt stellt die Kooperation zwischen der Studierendenvertretung der Philipps-Universität und den Stadtwerken mit dem Fahrradverleih Nextbike dar.
Eine Herausforderung, an deren Lösung Jochen Friedrich in 2016 und den Folgejahren maßgeblich beteiligt war, waren die deutlich überschrittenen Grenzwerte für Stickoxide, denen mit den klassischen Maßnahmen nicht mehr beizukommen war. Die Lösung waren die Einführung einer Umweltzone im Stadtgebiet und die Erstellung des »Green-City-Plans«, der die finanzielle Förderung von Maßnahmen durch die Bundesregierung ermöglichte.
Fahrradtouren und Zeit mit dem Enkel
Bei der Feierstunde zur Verleihung der Goldenen Ehrennadel würdigten auch Bürgermeisterin Nadine Bernshausen, Personalratsvorsitzender Steffen Kloske, Kollegin Beate Zimmermann sowie Gerlind Jäckle als Geschäftsführerin der Praxis GmbH Jochen Friedrich für seinen langjähriges Engagement. Das gab der Geehrte dann auch zurück: »In diesem Raum sind heute Menschen zusammengekommen, mit denen ich an zahlreichen Projekten gearbeitet habe. Der Dank für diese Arbeit gebührt nicht nur mir, er gebührt uns allen zusammen.«
Vermissen wird Friedrich vor allem die Begegnungen bei einem Kaffee mit den Kollegen und die produktive Zusammenarbeit mit den anderen Fachdiensten. Seine zusätzliche Freizeit möchte er nutzen, um mehr Zeit mit seinem Enkel zu verbringen und als passionierter Radfahrer größere und vor allem mehrtägige Radtouren zu unternehmen.