»Die Renaturierung des Ohe-Tals ist ein beispielhaftes Projekt, das zeigt, wie sich Naturschutz und die Anpassung an die Folgen des Klimawandels gut miteinander verbinden lassen. Die Steigerung der Wasserrückhaltung verringert zum einen die Hochwasserspitzen in der Allna und schafft zum anderen zusätzlichen Lebensraum für gefährdete Arten«, erklärte Bürgermeisterin Nadine Bernshausen.
Auf einem rund 700 Meter langen Talabschnitt hat die Stadt in Kooperation mit der Oberen Naturschutzbehörde des Regierungspräsidiums Gießen die Ohe renaturiert, also in einen natürlicheren Zustand zurückversetzt. Die Stelle befindet sich etwa einen Kilometer oberhalb der Mündung des Elnhäuser Wassers zwischen Hermershausen und Nesselbrunn.
Veränderungen der Wiese
Dort finden sich nun unter anderem Nebengerinne mit sogenannten Blänken, umgangssprachlich als »Tümpel« bekannt. Blänken sind saisonale Teiche, die sich im Winter und bei Hochwasser füllen und die in heißen Sommern komplett austrocknen können. Diese seichten Tümpel sind häufig Ablaichorte für Amphibien. Das Nebengerinne wird nur bei hohen Wassermengen in der Ohe durchströmt, damit das Hauptgerinne der Ohe in Trockenperioden möglichst nicht austrocknet.
Barbara Zimmermann, die seitens der Unteren Naturschutzbehörde der Stadt Marburg das Projekt seit den ersten Planungsideen im Jahr 1996 begleitet, freute sich über die Umsetzung: »Ich finde es toll, dass alle Beteiligten - inklusive der Landwirte - hier gemeinsam etwas Nachhaltiges und Sinnvolles geschaffen haben. Man kann jetzt nach kurzer Zeit schon sehen, dass die Amphibien ihren neuen Lebensraum bereits angenommen haben.«
Die Umgestaltung des Ohe-Tals schafft somit Lebensräume für gefährdete Arten. Darunter zählen insbesondere die sogenannten Klimaverlierer. »Das sind Arten, die durch die Folgen und Auswirkungen des Klimawandels besonders gefährdet sind«, berichtete Franziska Bopf vom Regierungspräsidium. Durch die Umsetzung dieses Projekts profitieren insbesondere Amphibien wie der Grasfrosch und der Kammmolch, die Fischarten Groppe und Bachneunauge sowie die Bachmuschel. Die Amphibien sorgen auch für ein verbessertes Nahrungsangebot für andere Tiere, wie zum Beispiel den Schwarzstorch - ebenfalls eine klimasensible Art.
Hochwasserschutz und Bürgerversammlung
Zudem führt der gesteigerte Wasserrückhalt in der Ohe-Aue bei Starkregen zur Senkung von Hochwasserspitzen in der Allna. Denn in diese mündet die Ohe bei Hermershausen. Damit sollten auch die örtlichen Überschwemmungen in Hermershausen selbst seltener werden.
Hubert Detriche, Ortsvorsteher von Hermershausen, kündigte an, dass der Ortsbeirat die Mitbürger zu einem gemeinsamen Termin einladen werde, um das Projekt vorzustellen und die Wertigkeit zu erläutern. »Die Wiese soll ansonsten nicht betreten und auch nur zu bestimmten Zeiten durch die Landwirte gemäht werden«, ergänzte Ortrud Simon von der Unteren Naturschutzbehörde der Stadt Marburg.
Durch die Nutzung der Landwirte müsse der Zustand der neuen Renaturierungsfläche höchstens zweimal im Jahr kontrolliert werden, so Zimmermann. »Hauptaugenmerk liegt dabei auf der möglichen Versandung der Ohe. Durch den hier doch starken Wasserfluss nach Starkregenereignissen neigt die Ohe dazu, viel Sediment abzulagern. Daher muss geschaut werden, ob die Durchlässigkeit und das geplante Überlaufen in die neuen Nebengerinne gegeben sind«, berichtete Barbara Zimmermann.
Die Kosten für das Projekt belaufen sich auf 145.000 Euro. Diese wurden zu 100 Prozent aus dem »Klimaplan Hessen 2030« finanziert. Die Gelder wurden dem Regierungspräsidium zugewiesen und von der Oberen Naturschutzbehörde verwaltet.