10. Mai 2023, 13:00 Uhr

Marburg

Post-Covid-Ambulanz unter Volldampf

Das zuständige Ärzteteam des Universitätsklinikums in Marburg kommt aufgrund des Andrangs bei der Behandlung von Menschen mit Corona-Spätfolgen kaum hinterher.
10. Mai 2023, 13:00 Uhr
Prof. Dr. Bernhard Schieffer ist verantwortlich für die Post-Covid-Ambulanz an der Uni-Klinik Marburg. Foto: Thomas Stoll

Nach Erkrankung durch SARS-CoV-2 kann es zu langanhaltenden Beschwerden kommen, die europaweit laut Weltgesundheitsorganisation mehr als 17 Millionen Menschen betreffen. 10 bis 15 Prozent der Infizierten sind von solchen Nachwirkungen betroffen, die Fachleute ab einer Dauer von vier Wochen unter dem Begriff »Long Covid« zusammenfassen.

»Die Bandbreite in der Symptomatik und im Schweregrad ist groß und reicht von Leistungsminderung über neurokognitive Störungen bis zu unspezifischem Herzrasen und chronischen Herzmuskelentzündungen, die zur Arbeitsunfähigkeit führen können«, sagt Prof. Dr. Bernhard Schieffer, Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie des Fachbereichs Medizin der Philipps-Universität.

Mehrzahl der Betroffenen sind Frauen

Nach zwölf Wochen bezeichnen Fachleute die Corona-Spätfolgen als »Post-Covid-Syndrom«, das ein wachsendes sozio-ökonomisches Problem darstellt. Die Mehrzahl der Betroffenen sind junge Menschen, vor allem Frauen im Alter von 25 bis 55 Jahren, die durch Post Covid aus dem Berufsleben gerissen werden. Das hat auch eine europaweite Umfrage aus dem Fachbereich mit mehr als 4.000 Betroffenen ergeben.

Komplexes Krankheitsbild

Schon im Spätsommer 2021 wurde das Team des Kardiologen Schieffer mit einer neuen Symptomatik nach Corona-Infektionen wie Herzrasen, Brustschmerzen oder Schwindelgefühlen konfrontiert. Die Symptomatik war auch nicht immer einer medizinischen Disziplin alleine zuzuordnen. Daher arbeiten Kollegen aus der Neurologie, Pneumologie, Infektiologie/Virologie und künstlichen Intelligenz in der Medizin eng zusammen, um ein Muster im Krankheitsbild zu erkennen.

In Deutschland ist eine der ersten Post-Covid-Ambulanzen im Frühjahr 2021 an der Universitätsklinik Marburg ins Leben gerufen worden. Je nachdem welche Beschwerdesymptomatik im Vordergrund steht, kümmert sich an der Uniklinik ein interdisziplinäres Team aus Kardiologen, Lungenärzten, Nervenärzten und Psychologen um die Patienten. Die Warteliste ist lang und umfasst aktuell rund 7.400 Patienten.

Speziell kümmert sich die Ambulanz von Prof. Bernhard Schieffer auch um die seltenen, aber teilweise dramatischen Folgen einer Corona-Impfung. Auch wenn diese weitaus seltener sind, so nehmen sie einen ähnlichen symptomatischen Verlauf. Begleitet wird diese klinische Arbeit von translationaler Wissenschaft, die den Ursachen von Post Covid auf den Grund gehen soll.

Pandemie nach der Pandemie

Auf Basis dieser Erfahrungen haben Bernhard Schieffer und Kollegen aus Berlin, Mannheim, Nürnberg und München unter dem Titel »Die Pandemie nach der Pandemie« den aktuellen Stand bei Symptomatik, Diagnostik und Therapie von Long/Post Covid im deutschen Ärzteblatt (Ausgabe vom 31. März 2023) zusammengefasst.

Darin weisen die Mediziner auf Schlüsselsymptome wie zum Beispiel verschiedene Ermüdungs- und Erschöpfungszustände hin und erläutern, nach welchen Kriterien sie die Diagnose »Post-Covid-Syndrom« stellen. »Nicht nur die Erkrankung ist wenig verstanden, es fehlt jedwede politische Akzeptanz für die vielen Tausenden von Patienten und jedwede finanzielle Unterstützung durch die Landes- und Bundespolitik«, sagt Prof. Schieffer.

Neben der Versorgung der Patienten gilt Schieffers Augenmerk auch der Grundlagenforschung. Um diese zur Diagnostik und Therapie von Post Covid zu unterstützen, hat das Team um Bernhard Schieffer eine Crowdfunding-Kampagne angestoßen.

Hausärzte als erste Anlaufstelle

»Von Routinediagnostik und Standardtherapien sind wir weit entfernt«, ergänzt Schieffer. Wichtig sei, dass Patienten über ihre Hausärzte erste abklärende Untersuchungen anstoßen, bevor sie in die Ambulanz der Uniklinik kämen.

Das mittlerweile sechsköpfige Ärzteteam der Klinik für Kardiologie kommt jetzt schon dem Andrang kaum nach. Aufgrund der vielen Nachfragen und des komplexen Krankheitsbildes kann derzeit die Bearbeitung der Anfragen einige Wochen in Anspruch nehmen. Laut Schieffer ist es daher sinnvoll, wenn möglichst viele abklärende Untersuchungen schon im Vorfeld durch die Hausärzte gemacht werden.

Für Patienten gibt es über die Homepage des Klinikums (www.ukgm.de) erreichbare Mail-Adressen und Hotlines für die Post-Covid-Ambulanz der Kardiologie. Dort finden sich auch weitere Infos zur Crowdfunding-Kampagne.

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