23. April 2022, 13:00 Uhr

Marburg

»Im Leben gibt es nichts geschenkt«

Josef Payer blickt auf ein bewegtes Leben zurück. Seine Erinnerungen hat der 84-jährige in einer 592-seitigen Autobiografie festgehalten.
23. April 2022, 13:00 Uhr
Josef Payer hat auf 592 Seiten seine Lebenserinnerungen niedergeschrieben. Foto: Häuser

Das Werk trägt den Titel »Vom Armenkind zum Millionär«. Wer sich durch Payers Memoiren »kämpft«, ist in vielerlei Weise erstaunt: Da ist zum einen sein Erinnerungsvermögen, das selbst nach mehr als acht Jahrzehnten detailgenau Begebenheiten wiedergibt. Ohne jegliche Tagebucheinträge oder ähnliche Aufzeichnungen hat Payer allein aus dem Gedächtnis seine Erlebnisse von der Kindheit bis ins hohe Alter niedergeschrieben. Dabei konfrontiert Payer die Leserschaft häufig mit einer schonungslos offenen Art jenseits der »Political Correctness«.

Früh das Leben in eigene Hände genommen

»Ich musste mir so manchen Frust von der Seele schreiben«, rechtfertigt sich der Ruheständler. Ohne Unterstützung seiner Eltern - Deutschstämmige, die mit ihm 1946 aus Ungarn nach Hessen auswanderten - habe er mit 12 beschlossen, seinen Lebensweg in die eigenen Hände zu nehmen. Nach der Schulzeit in Biedenkopf begann er mit 19 Jahren seine berufliche Ausbildung. Im Alter von 31 hatte Payer bereits fünf abgeschlossene Berufe mit Zertifikat: vom Maschinenbauingenieur bis zum staatlich geprüften Turn- und Sportlehrer. Mit 40 gründete Payer ein Fachbüro für Sport- und Freizeiteinrichtungen.

Einerseits beleuchtet der Wahl-Marburger persönliche familiäre und berufliche Lebensphasen, andererseits will er das Buch auch als eine Art »Abrechnung« verstanden wissen. Vor allem während seiner 40 Jahre dauernden Selbstständigkeit sieht sich Payer rückblickend im »Kampf gegen Profilierungsneurotiker«, wobei er in seinem Buch konkret Amtsträger und politisch Handelnde namentlich angeht.

Brisant und voller Zündstoff sind die Aussagen Payers deswegen, weil sie sich teilweise gegen noch lebende und auch noch im Amt befindliche Personen richten - gegen Kommunalpolitiker und Amtsleiter. Doch Josef Payer nimmt in der Autobiografie kein Blatt vor den Mund. Nennt Ross und Reiter und fürchtet keine rechtliche Auseinandersetzung.

»Kniefall« in Behörden

»Diese Erlebnisse haben mich geprägt und psychisch belastet. Sie lassen einen nicht los und deshalb musste ich sie niederschreiben, um mich zu entlasten. Ich fühle mich nun erleichtert«, sagt Payer. Er erzählt von dem »Kniefall« in Behörden, um an Aufträge zu gelangen. Entsprechend vernichtend fällt sein Urteil über Entscheidungsträger aus: »Willst du erfolgreich sein, musst du vor solchen Auftraggebern auf dem Bauch kriechen«, lautet seine Erkenntnis.

Aber nicht nur mit lokalen Gegebenheiten setzt sich Payer auseinander. Auch Bundespolitiker kriegen ihr Fett ab. Eine der Lieblingszielscheiben ist für ihn Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel, die er als »Künstlerin zum Durchmogeln auf hohem Niveau« tituliert. Nicht viel besser weg kommt ihr Amtsvorgänger Gerhard Schröder: Wegen dessen Verbindungen zum russischen Präsidenten und »Intim-Freund« Wladimir Putin geißelt Payer schon während der Konzeption seines Buches vor drei Jahren Schröders enge Kontakte in den Kreml und spricht dem Altkanzler ab, ein »Ehrenmann« zu sein.

Rechtsstreit wegen Rundfunkgebühren

Neben der Politprominenz streift Josef Payer die TV-Branche. Aus Ärger über den horrenden »Stundenlohn« eines Günther Jauch legt er sich jahrelang mit der Gebühreneinzugszentrale an. Weil er die Zahlung der Rundfunkgebühr verweigert, stehen Kontrolleure vor seiner Tür und wollen den Fernseher pfänden. »Der Jauch verdient in einer Minute 4.600 Euro. Das sind 270.000 Euro pro Stunde«, ärgert sich Payer noch heute. Der Streit landet vor Gericht. Den Schriftwechsel mit Behörden und Justiz samt reichlichem Dokumentenanhang hat Payer im zweiten Teil seines Buches angefügt.

Die zahllosen Ereignisse eines Lebens, das auch immer wieder an der Grenze zum Burnout verlief, haben sich in sein Gedächtnis eingebrannt. Josef Payer sieht die Biografie als futuristisches Gedankengut: »Jeder sollte vor seinem Ableben wenigstens einen einzigen Satz hinterlassen und an die Nachkommen weitergeben«, meint er. Seinen hart erarbeiteten Wohlstand formuliert er daher so: »Im Leben gibt es nichts umsonst und schon gar nichts geschenkt!« (hä)

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