28. Mai 2023, 13:00 Uhr

Cölbe

Eine sehr herzliche »Silberhochzeit«

»Ach, die kleine Erkältung mit leichtem Fieber hält mich nicht auf. Ich muss schließlich noch so viel erledigen. Ausruhen kann ich mich später!« Kommt Ihnen das bekannt vor?
28. Mai 2023, 13:00 Uhr
Friedrich Reichel hat seit 25 Jahren gut lachen - er weiß, wie es ist, wenn man auf ein Spenderorgan angewiesen ist und sich das Leben radikal verändern kann. Foto: Reichel

In den meisten Fällen stimmt es ja und die Erkältung ist schnell weg. Was aber, wenn es schnell deutlich schlimmer wird? Für Friedrich Reichel aus Bürgeln brach 1994 eine kleine Welt zusammen: dilatative Kardiomyopathie (Herzmuskelentzündung) - und das gerade mal mit 44 Jahren. Eine verschleppte Grippe war wohl der Auslöser. Die Leistung des Herzens nahm rapide ab und ab 1997 sogar noch weiter. Bis auf 20 Prozent war sie heruntergefahren. Als Ausweg blieb nur noch eine Transplantation, denn der mittlerweile eingesetzte Defibrillator gab keine Sicherheit mehr. Ohne das Spenderorgan waren noch maximal fünf bis acht Monate vorgegeben.

Die Diagnose war ein Schock. Für die Familie und für die Freunde. Mitte 40, erst seit drei Jahren in das neu gebaute Haus eingezogen. Zwei Kinder im Alter von 17 und 14 Jahren. Studienrat aus Leidenschaft an einer Gesamtschule hier im Landkreis, zu der man erst vor ein paar Jahren nach unzähligen Versetzungsanträgen aus Wolfsburg wieder in die Heimat gekommen war. Jahrelanges Pendeln am Wochenende zur Familie nach Bürgeln endlich passé - und jetzt das …

Die erlösende Nachricht

Es war ein sonniger Tag am 1. Februar 1998, als abends das Telefon klingelte: »Hallo, hier ist das deutsche Herzzentrum Berlin - wir haben eine erfreuliche Nachricht für Sie: Wir haben ein Spenderorgan. Sie werden heute noch abgeholt!«

Freudentränen, Bangen, Hoffen und auch ein wenig Angst mischen sich zusammen. Kurz danach klingelt es dann an der Haustür: Zwei Polizeibeamte stehen dort, als der ältere Sohn Sebastian öffnet. »Wir sind benachrichtigt worden, Ihr Vater muss sofort ins Klinikum und wird dann von Frankfurt aus mit dem Rettungsflieger nach Berlin gebracht in Richtung deutsches Herzzentrum!«

Nach einer Nacht ohne Schlaf und weiteren Stunden des Wartens dann der Anruf aus Berlin: Es ist alles gut gegangen! Das »neue« Leben kann mit einem schlagfreudigen Herzen beginnen.

Große Dankbarkeit

Friedrich Reichel erfuhr in dieser schweren Zeit, wie wunderbar es ist, wenn die Familie zusammenhält, um dem damals schwächsten Mitglied nach Kräften zu helfen. Natürlich ist Ehefrau Marita hier bis heute als wichtigster Partner überhaupt zu nennen. Auch auf Freunde und Bekannte kann sich Reichel bis heute verlassen, denn so wie vor der Krankheit wird es natürlich nie wieder.

»Man wird generell dankbar gegenüber dem unbekannten Spender, Gott und natürlich auch den Fachärzten, die großartige Arbeit geleistet haben beziehungsweise noch weiter leisten, denn ich muss ja regelmäßig gecheckt werden«, sagt Friedrich Reichel. Was sich sonst noch ändert? »Man bewertet Dinge völlig neu und ändert einiges am eigenen Verhalten. Aber, ich habe gut wieder in den Alltag zurückgefunden.«

Zeit genießen

Bis zur Pensionierung 2014 war er wieder in Vollzeit mit großer Freude als Gymnasiallehrer tätig. Werkeln rund um Haus und Garten macht ihm weiterhin viel Spaß. Auch die Enkelkinder sind mit seine größten Schätze. Vielleicht hätte er sie nie kennengelernt …

Und auch seinem Hobby, der Jagd, kann er nachgehen - als überzeugter Waidmann auf Wildschweine und Rehe. »Ich habe als Unterstützung nach der OP auch einen Schrittmacher eingesetzt bekommen. Der wird normalerweise auf die rechte Brustseite gesetzt. Kurz vor der OP habe ich dann zu den Ärzten noch gesagt: ›Setzen Sie mir diesen bitte nicht dorthin, ich möchte wieder jagen gehen können.‹ Und, sie haben es tatsächlich gemacht und ihn mittig der Brust platziert«, so Reichel.

Dass dies alles eine regelmäßige Medikamenteneinnahme nach sich zieht sowie eine bewusstere Ernährung und allerhöchste Hygienemaßnahmen, nimmt Friedrich Reichel gerne in Kauf. »Seit 25 Jahren mit einem neuen Herzen: Da genießt man einfach das Leben und ist sehr, sehr dankbar, ein Spenderorgan erhalten zu haben! Es ist ein Segen, dass die Medizin dazu in der Lage ist«, sagt er. (sr)

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