25. Februar 2021, 13:00 Uhr

Herborn

Durch Corona durch das Raster gefallen

»Menschen wieder in den Arm nehmen zu dürfen.« Das wünscht sich Jessica Klaudy. Für die Zeit nach Corona. »Denn das ist es, was mir am meisten fehlt. Das Zwischenmenschliche.«
25. Februar 2021, 13:00 Uhr
Homeoffice der anderen Art: Jessica Klaudy erhält Arbeit für daheim. Ein Ersatz für ihren vorherigen Arbeitsalltag ist das jedoch nicht. Foto: Lebenshilfe

Die 33-jährige Herbornerin ist aufgrund ihrer Behinderung seit einem Jahr fast durchgängig daheim. Jessica Klaudy zählt zur Risikogruppe - und fühlt sich von der Politik übersehen. »Menschen wie ich benötigen viel mehr Aufmerksamkeit - gerade in dieser Zeit.«

Ansteckung mit Covid-19 lebensbedrohlich

Als Jessica Klaudy 13 Jahre alt war, erhielt sie die Diagnose Skoliose. Die Verkrümmung der Wirbelsäule sei inoperabel, sagten ihr die Ärzte. Das Risiko einer Querschnittslähmung zu groß.

Die Beeinträchtigungen nahmen im Lauf der Jahre immer weiter zu. Die Lungenfunktion ist beeinträchtigt, Herzrhythmusstörungen kamen hinzu. Seit einem Jahr ist die Herbornerin auf ein mobiles Sauerstoffgerät angewiesen. Eine Erkrankung mit Covid-19 wäre für sie lebensbedrohlich.

»Ich weiß noch, dass ich gerade mal eine Woche lang mit dem Sauerstoffgerät zur Arbeit fuhr, als dann die Werkstätten wegen des Lockdowns schließen mussten. Als sie dann wieder öffnen durften, blieb ich mit Attest daheim.«

Ein bisschen Heimarbeit

Dass dieser Zustand ein Jahr andauern würde, hatte sie nicht erwartet. »Ich vermisse die Arbeit sehr, vor allem, weil ich dort unter Menschen bin.« Seit 2015 ist sie auf einem Außenarbeitsplatz der Dillenburger Werkstätten bei der Firma Bretthauer beschäftigt. Gruppenleitung und sozialer Dienst versorgen sie seit der Pandemie regelmäßig mit etwas Heimarbeit. Aktuell verschweißt sie Kleinteile.

Ansonsten ist ihr Alltag eintönig: fernsehen, malen, mal einkaufen, wenn ihr körperlicher Zustand es zulässt. Sie sei unruhig und liege viel wach. »Irgendwann fällt einem auch nichts mehr ein. Das macht mich kirre. Man fragt sich morgens, wozu man eigentlich aufstehen soll. Und wie lange das so weitergehen soll.« Ihre Hoffnung ist die Impfung. »Doch ich gehöre trotz meiner Erkrankung nicht zu den ersten beiden Kategorien.«

Menschen mit Behinderungen werden laut ihr von der Politik in der Pandemie häufig nicht wahrgenommen. »Dabei ist es doch so, dass gerade in unseren Werkstätten überwiegend Menschen mit Vorerkrankungen arbeiten und in unseren Wohnheimen Menschen mit Vorerkrankungen leben.« Ihr Appell an die Politik: Genauer hinsehen. »Menschen wie ich fallen durchs Raster, weil ich zu jung bin und nicht die entsprechenden Kriterien erfülle.« Da erfordere es ein Umdenken. Damit sie irgendwann wieder einen Alltag hat. Mit Arbeit. Mit Freunden. Trotz Pandemie.

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