26. April 2024, 13:00 Uhr

Marburg

Diskussion zu sozialpolitischen Themen

Rund 50 Personen waren der Einladung des Lebenshilfe in Marburg gefolgt, um über sozialpolitische Themen zu diskutieren.
26. April 2024, 13:00 Uhr
Diverse sozialpolitische Themen aus der Behindertenhilfe wurden parteiübergreifend diskutiert. Eingeladen hatte der Marburger Ortsverein der Lebenshilfe. Foto: Lebenshilfe

Roland Wagner, der erste Vorsitzende des Marburger Ortsvereins, begrüßte die Anwesenden. Der Verein möchte seinen fast 200 Mitgliedern wieder mehr Mitmachprogramm anbieten und stärker miteinander im Gespräch sein. Die Podiumsdiskussion  im Technologie- und Tagungszentrum hatte das Ziel, sich für sozialpolitische Themen stark zu machen - bietet dieses Format doch die seltene Gelegenheit der direkten Auseinandersetzung mit den Verantwortlichen aus der Politik.

Heimische Abgeordnete einig in der Sache

Der persönlichen Einladung gefolgt waren die Landtagsabgeordneten Marie-Sophie Künkel und Dirk Bamberger (beide CDU), Sebastian Sack (SPD) und Angela Dorn (Grüne), die feststellte, dass eine Podiumsdiskussion außerhalb des Wahlkampfes eigentlich unüblich sei.

Vielleicht war gerade das der Grund, dass in guter Atmosphäre und im Sinne der Sache diskutiert wurde. In vielen Fragen gab es große Übereinstimmung, stellten die Moderatoren Sebastian Weber (Geschäftsführer des Kinderzentrums Weißer Stein) und die Selbstvertreter Eva Nicklas und Michael Brühl fest. Beide arbeiten im Vorstand des Ortsvereins mit.

Klare Position gegen rechts

Bei der Frage der drohenden Gefahr von rechts gab es eine klare Haltung: Die demokratischen Parteien müssen zusammenhalten und sich klar positionieren. Diese klare Position hat auch die Lebenshilfe bezogen: »Solange sich die AfD nicht von all denen distanziert, die eine solch extreme Haltung zu Inklusion vertreten, die in ihren Augen ein Irrweg ist, kann die AfD keine Alternative sein.« In Frieden und Freiheit sowie selbstbestimmt zu leben, das ist der Wunsch aller. Dirk Bamberger stellte fest: »Wer nicht glaubt, dass Rechtsradikale eine Gefahr darstellen, der sollte einmal nach Hadamar fahren, dort kann man sich davon überzeugen.«

Hürden weiter abbauen

Barrierefreiheit war auch ein wichtiges Thema an diesem Abend: Keine Rampen an Bus- und Bahnsteigen, fehlende technische Ausstattung, bürokratische Hürden und ein größtenteils unverständliches Antragswesen sind nur einige Punkte, die Menschen mit Behinderung an ihre Grenzen bringen. Und die auch für Menschen ohne Behinderung eine ziemliche Hürde darstellen.

So war es auch mit der Frage von Eva Nicklas, was man für eine Barrierefreiheit in Arztpraxen tun könne. Es fehlt laut ihrer Erfahrung in Praxen an Geräten, um etwa Menschen im Rollstuhl untersuchen zu können: »Die Schwierigkeiten beginnen schon bei den Türen, die zu eng sind, um mit dem Rollstuhl hindurchzukommen. Oft sind die Liegen zu hoch oder zu schmal. Eine Rampe an der Eingangstür und ein Aufzug machen eine Praxis noch nicht barrierefrei.«

Bernd Gökeler, Vorsitzender des Netzwerkes für Teilhabe und Beratung (NTB), merkte an, dass lediglich vier Prozent der Arztpraxen in Deutschland barrierefrei sind: »Menschen mit Behinderung haben viel Potenzial, daher ist es wichtig dafür zu sorgen, dass dieser Personenkreis die gleichen Chancen hat wie Menschen ohne Behinderung. Dies fange im Kindergarten an und ziehe sich durch das ganze Leben.«

Auf die Frage von Angela Dorn an Eva Nicklas und Michael Brühl, ob sie auch gerne in einem Betrieb der freien Wirtschaft arbeiten möchten, bezogen sie eine klare Position: Die Arbeit in der Werkstatt für Menschen mit Behinderung ist für beide eine sinnstiftende Tätigkeit, sie fühlen sich dort mehr als wohl. Sebastian Sack, vor seiner Abgeordneten-Tätigkeit als Gymnasiallehrer tätig, merkte an: »Bei der Inklusion hat mir oft der Input gefehlt. Als Lehrer muss man sich da sehr viel selbst erarbeiten.«

Bundesteilhabegesetz mit viel Zustimmung

Zur UN Behindertenrechtskonvention und der damit verbundenen Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) gab es relativ viel Übereinstimmung: »Wir sind noch nicht da, wo wir sein müssten«, so Marie-Sophie Künkel. Im Hinblick auf das BTHG wurde festgestellt, dass das, was gut gemeint nicht immer gut gemacht ist. Das System müsse einfacher werden. Die Kassen werden immer knapper, das Geld werde nicht mehr, daher müsse geschaut werden, wie es am effektivsten verteilt werden könne. Bürokratie gelte es abzubauen und vorher das Misstrauen.

Anreize für Fachkräfte schaffen

Der Fachkräftemangel ist ein allgemeines Thema, das nicht nur die Behindertenhilfe betrifft. Er ist in fast allen Branchen zu beobachten. Es müssen mehr Anreize geschaffen werden - auch im Hinblick auf die Vergütung. Die Infrastruktur gilt es zu verbessern und es braucht mehr Möglichkeiten für Quereinsteiger. Auch in diesem Bereich muss Bürokratie abgebaut werden.

Nach zwei Stunden guter Diskussion stellte Roland Wagner fest: »Ein kurzweiliger, informativer Abend mit klaren Aussagen geht zu Ende.« Es wurden einige Themen und Ideen mitgenommen, die im nächsten Schritt durch die Abgeordneten in Ausschüssen behandelt werden. Und es wurde deutlich, dass alle anwesenden Politiker es als ihre Aufgabe sehen, sich für Menschen mit Behinderung einzusetzen.

Den Abschluss machte eine Einladung in den Wiesbadener Landtag von Marie-Sophie Künkel. Dem komme man gerne nach und wolle sich mit einer inklusiven Abordnung der Lebenshilfe für die Rechte von Menschen mit Behinderung einsetzen.

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