19. April 2023, 13:00 Uhr

Marburg

Bilanz der mobilen Impfteams des Landkreises

Der Landkreis Marburg-Biedenkopf zieht Bilanz zu den mobilen Impfteams, die während der Pandemie bis an die Belastungsgrenze - und teils darüber hinaus - aktiv waren.
19. April 2023, 13:00 Uhr
Claudia Dielmann-Ackermann von der ärztlichen Leitung der Impfteams und Oliver Lotz von den Johannitern planten und koordinierten die Einsätze der mobilen Impfteams im Landkreis Marburg-Biedenkopf. Foto: Heike Döhn/Landkreis

Die alte Dame ist noch verunsichert. »Sie bekommen jetzt ihre Impfung«, beruhigt Juliane Schrakamp. Die medizinische Fachangestellte war Teil des mobilen Impfteams. Diese Impfteams waren monatelang im Landkreis Marburg-Biedenkopf unterwegs, um Menschen gegen Corona zu impfen. Vom 1. Oktober 2021 bis 31. Dezember 2022 waren das mehr als 73.000 Impflinge, die in Pflegeheimen, in Bürgerhäusern oder an sozialen Brennpunkten geimpft wurden.

Herbstwelle 2021 führte zu viel Arbeit

»Das mobile Impfteam sollte die Haus- und Fachärzte nach der Schließung des Impfzentrums am Afföller unterstützen«, erzählt Claudia Dielmann-Ackermann, die ebenso wie Sonja Becker und Rebekka Knitschke zur ärztlichen Leitung des mobilen Impfteams gehörte. Doch mit der zum Herbst 2021 ansteigenden Infektionswelle und der rasant steigenden Impfnachfrage kam dem mobilen Impfen rasch eine viel größere Bedeutung zu. »Wir haben gemerkt: Da ist Druck auf dem Kessel«, erinnert sich Oliver Lotz von der Leitung der mobilen Impfteams.

Bis zu zwölf Teams im Dauerstress

Während Gesamtverantwortung und Organisation beim Gesundheitsamt lagen, stellten die Hilfsorganisationen DRK Kreisverband Marburg-Gießen und Johanniter-Unfallhilfe Mittelhessen medizinisches Fachpersonal sowie Personal für Organisation und Verwaltung. Sechs Impfteams waren im Einsatz - in Spitzenzeiten bis zu zwölf Teams - und das teilweise äußerst intensiv.

»Unser Auftrag war zunächst darauf beschränkt, den sogenannten ›vulnerablen Gruppen‹ flächendeckend und rasch die dritte Impfung anzubieten. Die Nachfrage war dann so groß, dass wir bereits ab November 2021 auch ein öffentliches Angebot mit drei stationären Impfstellen wieder eröffnet haben«, berichtet Dr. Birgit Wollenberg, die Leiterin des Gesundheitsamtes. Diese drei Impfpunkte hätten sich bewährt. »Zusätzlich haben wir uns überall mit unserem Impfbus dazugestellt. Online konnte jeder sehen, wo wir demnächst auftauchen«, so Dr. Wollenberg.

Probleme, aber auch Hilfe vor Ort

Teilweise gab es auch im Herbst 2021 plötzlich wieder lange Schlangen bei den Impfaktionen. Menschen reagierten unwirsch, sodass an einigen Tagen auch Personal der Security eingesetzt werden musste. »Unser Personal wurde teilweise sogar angegriffen«, berichtet Oliver Lotz.

Die Hälfte der Teams impfte an den Impfpunkten, die andere fuhr weiter durch den Landkreis. »Dabei haben wir solche Aktionen auch gut vorbereiten müssen, damit wir Menschen zum Impfen bewegen konnten, und haben dabei viel Unterstützung von Akteuren vor Ort bekommen«, betont Dielmann-Ackermann. Der zentrale Büro- und Lagerstandort für das mobile Impfen wurde in leerstehenden Räumen der Gesamtschule Niederwalgern eingerichtet - auch dabei musste kräftig improvisiert werden. Bei allem habe geholfen, dass das Team so gut zusammengearbeitet habe, betonen Dielmann-Ackermann und Lotz: »Wir waren hier so eine bunte Truppe aus ganz unterschiedlichen Menschen und es hat hervorragend funktioniert!«

Alles eingepackt und vorbereitet?

Die gute Zusammenarbeit konnte man zum Beispiel beim Besuch im Alten-und Pflegeheim Waldesruh in Bad Endbach erleben: Das Impfteam funktioniert wie eine gut geölte Maschine - von der Beladung des Fahrzeugs mit den Unterlagen, der Kühlbox mit dem Impfstoff, Computer, Drucker und Notfallset samt Defibrillator bis zum Bereitlegen von Masken, Einmalhandschuhen und Spritzen.

Der Arzt Christoph Albrecht, die MFA Juliane Schrakamp und Wolfgang Frey als Mitarbeiter der Verwaltung haben offensichtlich schon viele solcher Besuche absolviert - jeder Handgriff sitzt. Mit ganz viel Geduld und Empathie gehen sie auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Impflings ein, beruhigen, informieren und scherzen.

Jeder kennt seine Aufgabe

Schrakamp impft, der Arzt kontrolliert die Anamnesebögen, Frey nimmt die Daten auf - die Zahlen gehen ans Robert-Koch-Institut (RKI). Impfpässe werden ausgefüllt, Impfbestätigungen ausgedruckt. Der Arzt beantwortet Fragen, die MFA beruhigt ängstliche Impflinge, und immer wieder wird kontrolliert, ob auch jede Impfung gut dokumentiert ist. Bei den letzten Aktionen war der Stress dann nicht mehr so groß, das war im Winter 2021/2022 noch anders. »Da war die Anzahl der Interessenten noch riesig und wir mussten Menschen wieder nach Hause schicken«, erinnert sich das Team.

Im Frühjahr 2022 war der Ansturm vorbei, die Anzahl der Mitarbeiter konnte von teilweise 120 auf 60 heruntergefahren werden. Zum Sommer hin war dann eher die nachlassende Nachfrage ein Problem, »da musste man auch mit Enttäuschung fertig werden«, erinnert sich Dielmann-Ackermann.

Das Team dachte sich Aktionen aus, die die Impfakzeptanz erhöhen sollten, fuhr in jedes noch so winzige Dorf - und konnte so noch viele erreichen, gerade ältere Menschen. Es sei wichtig gewesen, durchgängig eine zuverlässige Anlaufstelle zu bieten und immer wieder zu versuchen, an die Menschen heranzukommen, die schwer für das Impfangebot zu erreichen sind.

Die Hauptaufgabe dabei sei die Vorbereitung der Impfangebote gewesen, um Ängste und Vorurteile abzubauen. »Wir haben in der ganzen Zeit immer wieder improvisiert - und nie eine einzige Impfaktion absagen müssen«, betont Oliver Lotz nicht ohne Stolz.

Nicht völlig verschwunden

Denn auch wenn die mobilen Impfteams in dieser Zusammensetzung Ende Dezember 2022 das letzte Mal unterwegs waren, so wird das Gesundheitsamt auch künftig in kleinerem Rahmen mobiles Impfen anbieten: Seit Anfang Januar gibt es ein kleines mobiles Impfteam, das nun komplett in der Hand des Gesundheitsamts ist und das weiterhin vulnerable Gruppen mit erschwertem Zugang zum Gesundheitssystem erreichen soll. Mit einem Arzt, zwei MFA und anderthalb Stellen für die Verwaltung soll es auch weiterhin helfen, eventuelle Versorgungslücken zu schließen. Geleitet wird es von Andrea Schroer, die auch schon die ärztliche Leitung des Impfzentrums innehatte.

Für Fragen ist das Impfteam unter impfen@marburg-biedenkopf.de oder 06421 4054400 erreichbar.

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