04. August 2018, 11:00 Uhr

Herborn

Wissen teilen mit ganz Europa

Zum Jubiläum »200 Jahre Theologisches Seminar« wurde die Ausstellung »Bildungsgut für Europa: Die Herborner Encyclopaedia des Johann Heinrich Alsted von 1630« eröffnet.
04. August 2018, 11:00 Uhr
Im Schloss Herborn eröffneten Bürgermeister Hans Benner, der frühere Stadtarchivar Rudolf Störkel und Studiendirektor Prof. Dr. Peter Scherle (v.l.) die Ausstellung. Die Kreise im Buch stellen vereinfacht eine Abweichung der Planetenbahnen fest. Die Skizze erschien erstmals 1620 in Alsteds Enzyklopädie. Foto: Becker-von Wolff

Seltene Originale und Faksimile – auch aus dem Bestand der »Alten Bibliothek« im Herborner Schloss – sind nun im Museum »Hohe Schule« (Nähe Kornmarkt) bis zum 15. November zu sehen.

Bei einem Empfang im Schloss Herborn, dem Theologischen Seminar der EKHN, betonten Bürgermeister Hans Benner sowie Seminardirektor Prof. Dr. Peter Scherle die enge Verflechtung zwischen der Ausbildungsstätte Hohe Schule und der Stadt.

Von Herborn in die Welt

»Die Studenten der damaligen Hohen Schule haben Herborn in die weite Welt getragen«, sagte Benner. Im Jubiläumsjahr werde das Theologische Seminar am Sonntag, 12. August, zu einem »Tag der offenen Tür« in das Schloss Herborn einladen, kündigte Prof. Dr. Peter Scherle an. Auch die »Alte Bibliothek« im Schloss kann dann bei Führungen besichtigt werden.

In seinem Kurzvortrag erinnerte der ehemalige Stadtarchivar Rüdiger Störkel an die Bedeutung Herborns in der Welt des 17. Jahrhunderts: Auf einer Europa-Karte hat er 25 Orte verzeichnen können, die nachweislich auf das in Herborn gesammelte Wissen zurückgegriffen haben. Der aus Ballersbach stammende Pfarrerssohn Johann Heinrich Alsted (gestorben am 9. November 1638 in Weißenburg/Siebenbürgen) hatte als reformierter Theologe, Philosoph und Pädagoge mit seinen herausgegebenen Nachschlagewerken von 1630 einen großen Anteil daran. 1610 bis 1619 war er Professor für Philosophie an der Hohen Schule Herborn.

Pflichtlektüre in Harvard

Bildung, Wissensweitergabe und Forschung war an vielen Orten der damaligen Welt ein hohes Gut: In Frankreich, Italien, Schweden, den Niederlanden oder in Böhmen entstanden Bibliotheken – Herborn war dort vertreten in Form der von Alsted herausgegebenen »Herborner Encyclopaedia«, die selbst in Venedig, Neapel, Paris, London oder an der sich neu gründenden Harvard Universität in Amerika gelesen wurde.

»Am Harvard College galt es 1723 als Pflichtlektüre. Auch in Herborn stand das Allgemeinwissen nicht im Giftschrank und auch neuere wissenschaftliche Erkenntnisse wurden nicht theologisch als Missachtung der Schöpfungsordnung Gottes gedeutet«, sagte Störkel.

Die zunächst in Herborn und später in Frankfurt gedruckten Werke trugen dazu bei, dass Menschen sich individuell durch das Selbststudium Wissen angeeignet hätten. Mancherorts hofften Gelehrte vergeblich auf eine erweiterte Neuauflage der Herborner Encyclopaedia.

Was die Werke so einzigartig macht? Didaktisch gut aufbereitet, werde Theorie und Praxis verbunden, sagt Rüdiger Störkel. »Es ist kein Lexikon, sondern eher ein Bildungsgang, der Sprache als erstes Handwerkszeug und dann die akademischen Fächer wie Medizin oder die angewandten Fächer wie Technik vermittle.« Und: Das Wissen habe noch heute Bedeutung.

Hintergrund: 200 Jahre »Hohe Schule«

Am 25. Juli 1818 verordnete die nassauische Landesregierung in Wiesbaden die Errichtung des Evangelischen Theologischen Seminars in Herborn. Im Vorjahr wurde bestimmt, dass die Hohe Schule Herborn zwar aufgehoben sei, ihre theologische Fakultät jedoch als Seminar fortbestehen solle.

Seit 1818 war es Pflicht für die nassauischen Pfarrer, zwei Semester am Ende ihres Theologiestudiums in Herborn zu studieren. Später wurde daraus eine eigene zweite Phase der Pfarrerausbildung – das Vikariat. So wurde aus der Theologischen Fakultät das Theologische Seminar der späteren Evangelischen Kirche, das heute alle Pfarrer durchlaufen müssen.

Die von Johann Heinrich Alsted herausgegebenen Nachschlagewerke waren handlich und didaktisch gut aufbereitet: Die Folge seiner eigentlichen Enzyklopädien begann mit einem Druck von 1620, für den er bereits 1618 die Genehmigung des Herborner Senats eingeholt hatte. Die Krone seines Werks war die Encyclopaedia von 1630, die ein enormes Verbreitungsgebiet erreichte.

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