28. Februar 2019, 11:00 Uhr

Marburg

Streit um Mobilitätsservice bei Zugfahrten

Die Organisation von Bahnreisen ist für Menschen mit Einschränkungen seit Anfang Februar aufwendiger.
28. Februar 2019, 11:00 Uhr
Für Menschen mit Einschränkungen können Zugfahrten einen erhöhten organisatorischen Aufwand bedeuten, wenn es um Mobilitätshilfen geht. Foto: Johannes Lemmer

Die Mobilitätsservice-Zentrale (MSZ) der Deutschen Bahn (DB) hatte bis zum 31. Januar Hilfeleistungen für diese Personengruppe zentral koordiniert. Das galt auch für Bahnstrecken von privaten Mitbewerbern. Jetzt übernimmt die MSZ diesen Dienst nur noch für Konkurrenzunternehmen, wenn diese dafür bezahlen.

Reisende wie beispielsweise Rollstuhlfahrer oder Menschen mit Sehbehinderung müssen sich nun vor Fahrtantritt eigenständig um Hilfe bei den zuständigen Privatunternehmen bemühen, wenn die MSZ für betreffende Teilstrecken diesen Service nicht mehr übernimmt.

Schwierigkeiten auf Nebenstrecken

»Ich war erschüttert, als ich las, dass die MSZ nur noch Umstiegshilfen für DB-eigene Unternehmen oder Kooperationspartner anbietet. Für viele Ziele, die nicht an Hauptstrecken liegen, bekomme ich dann keine Unterstützung über die MSZ mehr«, klagt Ursula Weber. Sie ist Vorsitzende des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS) mit Sitz in Marburg und selbst blind. Sowohl beruflich als auch in der Vereinsarbeit ist sie viel mit der Bahn unterwegs und hat bislang fast ausschließlich positive Erfahrungen mit der MSZ der Deutschen Bahn gemacht. Doch befürchtet sie zukünftig enorme Schwierigkeiten auf allen Strecken, die keine Hauptverkehrsstrecken sind.

Die Deutsche Bahn habe auf ihrer Homepage eine Liste zur Verfügung gestellt, die die Partner der MSZ aufliste. Es obliege den Reisenden herauszufinden, welche Strecken ihrer Reise mit einem solchen Partner oder eben einer nicht beteiligten Eisenbahngesellschaft stattfinden. Danach müsse man sich gegebenenfalls für jede Zwischenstrecke neu um eine Mobilitätshilfe bemühen, erläutert sie und bezweifelt, ob an allen Umstiegspunkten Unterstützung angeboten werde. »Dass dies eine schier unzumutbare Erschwerung einer Reise ist, die für die betroffenen Personen ohnehin oft schon schwer ist, steht wohl außer Frage.«

Die Deutsche Bahn verweist auf Anfrage dieser Zeitung auf die kostenfreien Hilfestellungen für alle Bahnreisenden – auch für Kunden von Wettbewerbsbahnen, sofern diese »Partner der MSZ« seien und wünsche sich, »dass alle Wettbewerbsbahnen Partner der MSZ werden«. Den Mobilitätsservice habe die DB in der Vergangenheit für die Wettbewerbsunternehmen organisiert – ohne vertragliche Basis und unentgeltlich.

In den zurückliegenden vier Jahren, so eine DB-Sprecherin (Berlin), sei die Zahl der Reisenden, die eine Hilfeleistung in Anspruch genommen hätten, um rund 50 Prozent gestiegen: von 564.000 Hilfeleistungen im Jahr 2015 auf über 850.000 Hilfeleistungen im Jahr 2018. Der unternehmensübergreifende Service der Mobilitätsservice-Zentrale sei neu organisiert worden, um eine »gerechte Kostenteilung aller beteiligten Wettbewerbsunternehmen zu gewährleisten«.

17 Unternehmen kooperieren mit DB

Die DB habe allen Eisenbahnverkehrsunternehmen einen Vertrag angeboten, um den Service für mobilitätseingeschränkte Reisende aus einer Hand zu organisieren. Das DB-Angebot zum gemeinsamen Betrieb der MSZ hätten derzeit 17 Unternehmen angenommen. Die anderen Unternehmen organisierten den Service für ihre Kunden künftig eigenständig oder seien im Gespräch mit der DB.

VdK-Landesverband fordert Ansprechstelle

In den Streit um die Finanzierung des Mobilitätsservice der Deutschen Bahn hat sich auch der Sozialverband VdK Hessen-Thüringen eingeschaltet und die Politik zum Handeln aufgefordert. Es sei nicht akzeptabel, dass Bahnreisen etwa für Menschen mit Behinderungen und Ältere organisatorisch deutlich aufwendiger geworden seien und Betroffene nicht sicher sein könnten, gut ans Ziel zu gelangen, äußerte sich Landesvorsitzender Paul Weimann (Frankfurt). Mobilitätseingeschränkte Menschen, die mit privaten Bahnen reisen wollten, erhielten seit der Umstellung von der MSZ nur die entsprechenden Kontaktdaten. Sie müssten ihre Zugfahrt selbst organisieren und dazu unter Umständen mehrere Privatbahnen kontaktieren.

»Die Unterstützung für Betroffene auf Bahnreisen darf nicht an der Finanzierung scheitern. Wichtig ist, dass Hilfeleistungen für sie aus einer Hand koordiniert werden und allen Reisenden in allen Zügen zur Verfügung stehen«, sagte Weimann. Der VdK-Landesverband forderte die Politik auf, dazu einheitliche Regelungen zu schaffen und für eine entsprechende zentrale Ansprechstelle zu sorgen. (hä)

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