09. März 2018, 11:00 Uhr

Marburg

Paralympics-Premiere für Noemi Ristau

Noemi Ristau aus Marburg und Lucien Gerkau aus Weimar nehmen an den Paralympischen Spielen in Südkorea teil.
09. März 2018, 11:00 Uhr
Noemi Ristau und ihr Guide Lucien Gerkau (vorne) nehmen bei den Paralympics in PyeongChang die Medaillenränge ins Visier. Foto: Paul Hofmann

Die sehbehinderte Skirennläuferin und ihr Guide werden dort voraussichtlich in allen fünf Ski-Disziplinen an den Start gehen. Wer mit über 100 km/h auf Skiern den Berg hinunter rast, muss schon eine ordentliche Portion Mut aufbringen. Noch um ein Vielfaches größer muss die Überwindung sein, wenn man dabei nahezu blind unterwegs ist – so wie Noemi Ristau. Weniger als zwei Prozent Sehkraft hat die 26-jährige Skifahrerin noch. Doch das hat sie nicht davon abgehalten, ihrem früheren Hobby nun in Rennen nachzugehen.

Guide gibt die Kommandos

Es ist ein faszinierender Anblick. Hintereinander fährt das Duo den Berg hinab. Lucien Gerkau vorneweg, mit lautstarken Kommandos, einige Meter dahinter Noemi Ristau. Von der Strecke und den Toren sieht sie nahezu nichts. Zwar hat sie den Verlauf zuvor einstudiert, doch im Rausch der Geschwindigkeit geben ihr hauptsächlich die Worte ihres Begleitläufers Orientierung – gewissermaßen wie ein Navigationsgerät auf der Piste. Zwischen beiden herrscht maximales Vertrauen. »Ohne geht es auch nicht. Wir sind ein eingespieltes Team und ich weiß, dass ich mich auf Lucien absolut verlassen kann«, beschreibt Noemi Ristau.

Es ist ihre dritte gemeinsame Saison. Die 26-Jährige hatte damals an der Deutschen Blindenstudienanstalt in Marburg wieder intensiver mit dem Skifahren begonnen und einen Guide gesucht. »Ich habe mich bei meinem Verein SF/BG Marburg erkundigt und bin dann irgendwann bei Lucien gelandet«, berichtet Ristau.

So rasant, wie das Duo auf der Piste unterwegs ist, war auch die Entwicklung. Im vergangenen Jahr feierten sie ihre WM-Premiere – und jubelten im italienischen Tarvisio gleich über Bronze im Slalom. Spätestens damit war das Ziel fest im Visier: die Teilnahme an den Paralympics in Südkorea. In dieser Saison ließen Ristau und Gerkau weitere hervorragende Platzierungen folgen. »Wir haben es in jeder Disziplin mindestens einmal aufs Treppchen geschafft. Dass es so erfolgreich verläuft, hätten wir nicht gedacht«, resümiert Ristau.

WM-Bronze 2017 und ein Weltcup-Sieg

Die bisherige Krönung folgte vor wenigen Wochen in Kanada. Für Ristau und Gerkau war es der erste Start in den Speed-Disziplinen im Weltcup, nachdem sie bei der WM nur Riesenslalom und Slalom fuhren. Im Super-G legten sie einen starken Lauf hin und ließen die Weltelite hinter sich. Ein Ausrufezeichen einen Monat vor den Paralympics.

Auch Geschwindigkeiten von über 100 km/h jagen ihr keine Angst ein. »Es macht mir einfach großen Spaß, so schnell zu fahren«, sagt sie und Lucien Gerkau ergänzt mit einem Schmunzeln: »Das ist eine Kombination aus mutig und verrückt. Es ist sehr selten, dass jemand so talentiert ist und sich so die Pisten hinunterstürzt, ohne wirklich etwas zu erkennen.«

Bis zu 60 Tore im Kopf abspeichern

Ristau kann die Tore oder ihren Guide auf der Strecke nicht wirklich sehen. »Ab und zu erkenne ich mal einen Schatten, dann weiß ich, dass ich ein Tor passiert habe«, sagt die sehbehinderte Skifahrerin. Umso entscheidender ist die Vorbereitung eines Rennens bei der Streckenbesichtigung. »Ich habe den gesamten Hang im Kopf, kenne ihn auswendig von oben bis unten mit all seinen Tücken«, betont Ristau. Die Schwierigkeit: die Orientierung nicht zu verlieren. Immerhin müssen je nach Disziplin 40 bis 60 Tore umkurvt werden.

»Durch die Anspannung und Konzentration auf das Skifahren ist es für Noemi kaum möglich, während des kompletten Laufs die Orientierung zu behalten«, erklärt Gerkau und Noemi Ristau fügt augenzwinkernd an: »Deswegen muss ich immer gut auf Lucien hören.« Nach WM-Bronze und Weltcup-Sieg schielen die beiden natürlich in Richtung Podestplätze, doch das Vorhaben lautet: »Alles geben, so wie immer, und dann schauen wir, was dabei herauskommt.«

Der Flug nach Südkorea erfolgte am Sonntag nach der Verabschiedung der deutschen paralympischen Mannschaft durch den Bundespräsidenten. Am Dienstag stand dann die erste Befahrung des Hangs auf dem Programm, damit Noemi Ristau sich die Breite der Piste und die Kuppen einprägen konnte.

Rennfahrplan

Am Samstag, 10. März, startet Ristau bei der Abfahrt der Damen. Am Sonntag, 11. März, steht die Super-G-Abfahrt auf dem Plan. Am Dienstag, 13. März, will Ristau sich in der Disziplin Super Kombi messen. Risenslalom steht am Donnerstag, 15. März, an. Die letzte Disziplin, Slalom, fährt Ristau dann am Sonntag, 18. März.

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