13. März 2020, 13:00 Uhr

Greifenstein

Müller taucht in Ordensgemeinschaften ein

Weiße schlichte Gewänder, mehrstimmiger Gesang von Männern und Frauen - das alles strahlt Ruhe aus. Antje Müller hat sich in geistliche Gemeinschaften begeben.
13. März 2020, 13:00 Uhr
Weiße schlichte Gewänder, mehrstimmiger Gesang von Männern und Frauen - das alles strahlt Ruhe aus. Dreimal am Tag singen und beten die Brüder und Schwestern der Monastischen Gemeinschaft von Jerusalem (FMJ) öffentlich - unweit vom Dom. Foto: Antje Müller

Antje Müller aus Greifenstein-Allendorf, ehemalige Krankenhausseelsorgerin an den Dill-Kliniken und heutige Gemeindepfarrerin in Frücht bei Bad Ems, hat geistliche Gemeinschaften in Erfurt, Florenz, Köln, Luzern, Rom, Wien und Würzburg besucht und ihre Erfahrungen in einem Buch niedergeschrieben.

Sie war dafür in einer sechs Mönche kleinen Wohngemeinschaft und auch in einem Kloster mit mehr als 100 Mönchen. Dreimal am Tag singen und beten die Brüder und Schwestern der Monastischen Gemeinschaft von Jerusalem (FMJ) öffentlich in der Kirche Groß Sankt Martin in Köln - unweit vom Dom.

Die arme Klostergemeinschaft strahlt eine Faszination gerade auf moderne Menschen aus: Einheimische, aber auch Touristen nutzen gerne das Mittagsgebet in Groß Sankt Martin, einer der ältesten Kirchen Kölns, um zur Ruhe zu kommen.

Europaweit Einblicke bekommen

»Manche Gemeinschaften verstehen sich bewusst als ›Großstadtmönche oder -nonnen‹ und sehen ihren Auftrag darin, ›Oasen des Gebets in den Wüsten der Städte‹ zu gründen - also bewusst zu den Menschen in die Städte zu gehen«, sagt Pfarrerin Antje Müller.

Alle zehn Jahre können Pfarrer drei Monate Studienurlaub nehmen und sich in dieser Zeit einem Thema ihrer Wahl widmen. Pfarrerin Antje Müller (53) hat sich daher mit Klöstern und Kommunitäten als spirituelle Lernorte beschäftigt. Sie wollte wissen, welche Formen von christlichen Gemeinschaften es außerhalb der Ortsgemeinden gibt.

Lesenswertes Buch

Herausgekommen ist dabei das lesenswerte Buch »Orte des Glaubens jenseits der Ortsgemeinden«. Holger J. Becker-von Wolff vom Öffentlichkeitsreferat des evangelischen Dekanats an der Dill hat es in Ruhe durchgelesen.

Auf 122 Seiten stellt Müller eben auch die FMJ vor, die 1975 in Paris gegründet wurde und in Köln eine Niederlassung hat. Zudem hat sie die Nachfahren der Augustinermönche, denen Luther einst angehörte, in Erfurt besucht, ebenso wie die franziskanisch-dominikanische Gemeinschaft vom Lamm, die 1974 entstanden ist, sowie die Gemeinschaft Sant’ Egidio, die 2018 ihren 50. Geburtstag feiern konnte. Allesamt Gemeinschaften ohne große Besitztümer. Im Anhang des Buches finden sich Interviews mit Ordensleuten sowie einer evangelischen Pfarrerin, die sich in der Gemeinschaft Sant’ Egidio in Würzburg engagiert.

Anvertrauen und Ruhe finden

Menschen, die eine Auszeit brauchen - also mal abtauchen wollen, kann Antje Müller das Kloster sehr empfehlen. Man kann mit den Brüdern und Schwestern reden, sich aussprechen, sich ihnen anvertrauen, denn es gilt die seelsorgliche Schweigepflicht. Man könne die Angebote der Gemeinschaften nutzen oder eben nicht und für sich sein.

»Armut und Gütergemeinschaft, Ehelosigkeit und Gehorsam sind die Grundprinzipien klösterlichen Lebens. Auch evangelische Gemeinschaften knüpfen meist an die Traditionen des alten Mönchtums aus Zeiten der ungeteilten Kirche an und haben nicht selten die Benediktsregel übernommen«, sagt Antje Müller. Die neuen Ordensgemeinschaften aus den 1970er-Jahren knüpfen wieder an das alte Ideal der Bettelorden an, verzichten auf große Klosterbauten und leben bewusst zur Miete in sozialen Brennpunkten der Städte.

»In Köln hat mich überrascht, wie jung die Männer und Frauen sind, die sich für das klösterliche Leben entschieden haben«, erzählt Müller.

Neben der Gastfreundschaft sei die Bereitschaft der Schwestern und Brüder beeindruckend, in einfachen Berufen oder in sozialen Brennpunkten der Städte zu arbeiten. So haben die Schwestern und Brüder vom Lamm bewusst das weiße Ordenskleid der Dominikaner gegen jeansfarbene Gewänder, dem Stoff der Arbeiter, eingetauscht.

Neues Denken erforderlich

Das Buch endet mit Hinweisen für die eigene Gemeinde: Die vorgestellten Gemeinschaften haben die Zeichen der Zeit erkannt und wissen, was die Menschen brauchen. Es gebe andere Bedürfnisse als vor 50 oder 100 Jahren, die meisten Menschen hätten materiell alles. Es sei daher kein Zufall, sagt die Pfarrerin, dass eine Gemeinschaft, die auf Spiritualität setzt, Zulauf habe. Man dürfe nicht mehr ortsgemeindlich denken, müsse über den Kirchturm hinausschauen, um zu sehen, was die heutigen Herausforderungen sind. Dabei spiele die Ökumene eine zunehmend bedeutende Rolle.

Antje Müllers Buch »Orte des Glaubens jenseits der Ortsgemeinde« ist im Frieling Verlag (Berlin) erschienen. Es kostet 14,90 Euro (ISBN 978-3-946467-73-1).

0
Kommentare | Kommentieren