07. August 2019, 11:00 Uhr

Wetzlar

Christen gedenken Widerstandskämpfer Paul Schneider

Im ehemaligen KZ Buchenwald gedachten 70 heimische Christen mit einem ökumenischen Gottesdienst des dort ermordeten Widerstandskämpfers paul Schneider.
07. August 2019, 11:00 Uhr
Gottesdienst auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald. Foto: Stiewink

Anlass war der 80. Todestag Paul Schneiders, der Pfarrer in Hochelheim und Dornholzhausen, später in Dickenschied (Hunsrück) gewesen war. Neben Christen aus den Kirchengemeinden im Bereich Wetzlar und Gießen waren weitere 140 Gläubige aus ganz Deutschland nach Buchenwald gekommen. Sie hatten sich schon zu Hause und im Reisebus mit Andachten und Lesungen aus dem Buch »Der Prediger von Buchenwald« auf das Gedenken vorbereitet.

Blumen und Kerzen in Schneiders Zelle

Die Christen besichtigten die enge Zelle Paul Schneiders, die mit Kerzen beleuchtet und mit Blumen geschmückt war. Aus seinem Fenster hatte er den auf dem Weg zum Tode wankenden Häftlingen Trostworte aus der Bibel hinterhergerufen. Als Strafe musste er dafür brutale Schläge einstecken. Dennoch ließ er sich nicht entmutigen.

Besucht wurden auch die letzte verbliebene Baracke, das Krematorium, in dem Menschen vieler Nationalitäten verbrannt wurden und das Museum, das die unheilvolle Geschichte wachhält.

Bedrückend und erschütternd waren das Zurückschauen und die Erinnerung an die Schuld des eigenen Landes an der Ermordung unschuldiger Menschen. Umso dankbarer war die Gedenkgemeinde für die klaren und mahnenden, dennoch aber biblisch-tröstenden Worte von Pfarrerin Karin Krapp, der Pröpstin Dr. Friederike Spengler sowie des katholischen Priesters Grothe.

Dem katholischen Pfarrer Otto Neururer wurde ebenfalls gedacht: Er war drei Tage lang an den Füßen aufgehängt worden, weil er einen Mithäftling getauft hatte, und kam dadurch zu Tode.

Berührender Gottesdienst

Spengler stellte die Seligpreisungen Jesu in den Mittelpunkt ihrer Predigt. Daraus schöpften bereits Christen zur Zeit Jesu, Paul Schneider selbst und auch Menschen heutzutage Mut und Zuversicht. »Hier bekommt das Vaterunser plötzlich eine ganz eindringliche Bedeutung und Kraft«, war eine Daubhausenerin nach dem Gottesdienst berührt.

»Die Reise war mir so wichtig«, betonte eine Niedergirmeserin, »sich immer wieder vor Augen zu führen, wie sich in dieser grauenvollen Zeit Menschen mutig dieser verbrecherischen Willkür entgegenstellten - den eigenen Tod ständig vor Augen«.

Die Motive, an dieser Reise teilzunehmen, waren sehr unterschiedlich. Mitgefahren war zum Beispiel eine aus Schlesien stammende Wetzlarerin, deren Onkel nach Buchenwald verschleppt wurde und der dort an Typhus starb. »Die ganze Familie hat ihm bis heute ein ehrendes Andenken bewahrt«, sagte sie. Oder ein Wetzlarer, der sich schon seit vielen Jahren im Freundeskreis Paul Schneider engagiert und dessen geistliches Erbe bewahrt. Auch ehemalige Gemeindeglieder und Nachkommen, die Paul Schneider noch erlebt hatten oder sich intensiv mit ihm beschäftigten, gehörten zur Reisegruppe, außerdem Christen, die bereits die Gedenkstätte besucht hatten und solche, die erstmals den Spuren des Widerstands folgten.

»Sie alle gemeinsam einzuladen zum Gedenken an die Verbrechen und die Ermordeten, aber auch im Blick auf die Zukunft Augen und Ohren offenzuhalten für politische Entwicklungen und menschen-verachtende Einstellungen, war mir wichtig«, erklärte der ehemalige kreiskirchliche Jugend- und Gemeindediakon Rüdiger Henke. Auf seine Initiative war die vom Kirchenkreis an Lahn und Dill finanzierte Busfahrt zustande gekommen. Henke war auf die Idee gekommen, als er in den vergangenen Jahren mehrere Gruppen in der Hochelheimer Kirche zur Konfirmation führte. Dabei hatte ihn die Inschrift in der Kirche »Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen« nicht mehr losgelassen.

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