18. Oktober 2017, 13:00 Uhr

Info-Veranstaltung

Wiederkehrende Straßenbeiträge

Vor der Stadthalle gab es keine Parkplätze mehr, innen drin keine Stühle: Geschätzte 600 Besucher wollten sich über die Vor- und Nachteile wiederkehrender Straßenbeiträge informieren.
18. Oktober 2017, 13:00 Uhr

Es ist offensichtlich: Dieses Thema brennt den Leuten unter den Nägeln. Und in Hungen ist es topaktuell. Auf Antrag der SPD wird sich die Stadtverordnetenversammlung im November mit der Frage beschäftigen, ob in der Großgemeinde die Straßenbeitragssatzung geändert werden soll.

Bis zum 31. Oktober haben die Einwohner Gelegenheit, auf einem Fragebogen ihre Meinung zu äußern.

Wie in den meisten Kommunen werden die Kosten für die grundhafte Erneuerung von Straßen in Hungen maßnahmenbezogen abgerechnet. Zur Kasse werden nur jene Grundstückseigentümer gebeten, deren Immobilien an der fraglichen Straße liegen. Vor allem in ländlichen Regionen, wo die Grundstücke groß sind, kann das zu einem echten Problem werden.

In Einzelfällen können hohe fünfstellige Kosten auf die Betroffenen zukommen. Wiederkehrende Straßenbeiträge, die seit 2013 auch in Hessen möglich sind, versprechen da Abhilfe. Wie dieses System funktioniert, erläuterte in Hungen Thomas Becker von der KC Kommunal Consult in Pohlheim, die unter anderem damit ihr Geld verdient, dass sie Kommunen bei der Einführung unterstützt. Beispiele aus der Praxis steuerte Gabriele Matzke bei. Sie arbeitet in der Stadtverwaltung von Nidda und damit für jene Kommune, die die Einführung wiederkehrender Straßenbeiträge in Hessen über einen Resolutionsantrag angestoßen hat.

Wie Becker erläuterte, liegt wiederkehrenden Straßenbeiträgen der Solidargedanke zugrunde. Weil alle die Straßen nutzen und nicht nur die direkten Anlieger, werden die Kosten von Sanierungen auch auf alle umgelegt. Praktisch funktioniert das so, dass die Kommune Abrechnungsgebiete festlegt. Für jedes wird für einen festgelegten Zeitraum (zwischen einem und fünf Jahren) ein Straßenbauprogramm aufgelegt und die zu erwartenden Kosten dafür ermittelt. Nach Abzug eines Gemeindeanteils (mindestens 25 Prozent) wird der verbleibende Betrag auf alle Grundstückseigentümer im jeweiligen Abrechnungsgebiet umgelegt. Sie zahlen dann einen jährlichen Beitrag an die Stadt. Für die Berechnung des jeweiligen Beitrags spielen Grundstücksgröße, Geschossigkeit und Nutzungsart (Wohnen oder gewerblich) eine Rolle. Wer an einer bereits sanierten Straße wohnt und schon einmal Straßenbeiträge gezahlt hat, muss erst einmal keine wiederkehrenden Straßenbeiträge zahlen. Diese »Verschonfrist« endet aber spätestens nach 25 Jahren. Zu zahlen sind Straßenbeiträge, egal ob maßnahmengebunden oder wiederkehrend, übrigens von den Grundstückseigentümern. Sie können nicht als Nebenkosten auf die Mieter umgelegt werden.

Einige Haken haben die wiederkehrenden Straßenbeiträge aber auch. Rechtlich noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob auch Bewohner von Neubaugebieten zahlen müssen, die ein voll erschlossenes Grundstück erworben haben. In Hungen wären davon zum Beispiel die Vertragspartner der Hessischen Landgesellschaft betroffen. Und die Stadt müsste mit einem höheren Verwaltungsaufwand rechnen.

Den hatte auch die Stadt Nidda, als sie 2013 die wiederkehrenden Straßenbeiträge einführte. Dort hatten zuvor einigen Eigentümern extrem hohe Rechnungen gedroht. Deshalb seien sich Verwaltung und Politik schnell einig gewesen: »Das können wir unseren Bürgern nicht mehr zumuten«, erinnerte sich Gabriele Matzke. Ihre Bilanz fiel insgesamt positiv aus. »Nennen Sie doch mal konkrete Zahlen«, wurde sie aus der Versammlung aufgefordert. Das tat die Verwaltungsfachfrau aus der Nachbarstadt: Sie selbst zahlt für ihr eingeschossiges Haus auf einem 650 Quadratmeter großen Grundstück 56,- Euro im Jahr.

Bürgermeister Rainer Wengorsch hatte eingangs darauf hingewiesen, dass dem Magistrat im Vorfeld dieser wichtigen politischen Entscheidung an einer umfassenden Bürgerinformation gelegen sei. Es gehe darum, die Vor- und Nachteile wiederkehrender Straßenbeiträge darzulegen, denn: »Gerechtigkeit ist eine Frage des Blickwinkels.«

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