11. März 2025, 13:00 Uhr

Hungen

»Mord ohne Leiche« endet mit lebenslanger Haft

Lebenslange Haft für beide Angeklagte - mit diesem Urteil ging der Prozess um einen »Mord ohne Leiche« zu Ende. Trotz umfangreicher Beweisaufnahme bleiben viele Fragen offen.
11. März 2025, 13:00 Uhr
Im Landgericht Gießen wurde nun nach 127 Verhandlungstagen der Schuldspruch verkündet. Foto: Schepp

Es ist einer der längsten Mordprozesse in der jüngeren Rechtsgeschichte Hessens. Doch nach nun mehr als 120 Sitzungstagen konnte die vorsitzende Richterin Regine Enders-Kunze im Gießener Landgericht endlich den Schuldspruch »Lebenslänglich« verkünden. Olaf C. und Robert S. nahmen ihre Verurteilung mit regungslosen Mienen entgegen. Die 5. große Strafkammer hält es für erwiesen, dass die beiden Männer am 17. November 2016 den damals 39 Jahre alten Daniel M. bei Hungen in eine Falle gelockt und ermordet haben.

Fehlende Puzzleteile

Sie hätten die Tat gemeinschaftlich geplant und ausgeführt. Trotz umfangreicher Beweisaufnahme sei es nicht gelungen, alle Fragen zu klären, sagte die Richterin. »Leider«, fügte sie mit Blick auf die Eltern des Ermordeten hinzu. Sie haben bis heute kein Grab, an dem sie um ihr Kind trauern könnten.

Die Richterin verglich den Fall mit einem Puzzle. »Auch wenn Teile fehlen, erkennt man doch das Bild«, sagte sie. Beide Angeklagte seien bei der Tat anwesend gewesen. Teilweise hätten sie das Geschehen übereinstimmend, teilweise spiegelbildlich geschildert. »Sie mussten nah an der Wahrheit bleiben, um sich nicht in Widersprüche zu verwickeln«, unterstrich die Vorsitzende.

Hinzu kämen zahlreiche Beweise, auf die sich das Gericht stützen könne. »Offen bleiben jene Punkte, zu denen nur einer etwas sagt und für die es keine Beweise gibt«, erläuterte Enders-Kunze. Dazu gehört auch der Verbleib der Leiche. Robert S. hat behauptet, Eimer mit einbetonierten Körperteilen im Starnberger See versenkt zu haben, doch die Suche blieb erfolglos.

Tat »gruselig und menschenverachtend«

Das Puzzle, das die Strafkammer auf Grundlage der Beweisaufnahme zusammensetzt, sieht folgendermaßen aus: Bereits seit 2010 haben der Gymnasiallehrer C. und der IT-Dienstleister S. Entführungspläne geschmiedet. Ob die beiden Daniel M. für eine Lösegelderpressung kidnappen oder an ihm nur für eine spätere und »lukrativere« Entführung »üben« wollten, ließ das Gericht letztlich offen.

Von Anfang an sei jedoch klar gewesen, dass sie ihr Opfer, einen Jugendfreund von Olaf C., töten wollten. »Er musste sterben, weil er die Täter kannte«, so die Richterin. Diese Tat sei »bizarr, gruselig und menschenverachtend«.

Nach Überzeugung der Kammer sind die tödlichen Schüsse auf der Fahrt Richtung Hungen in einem Waldstück gefallen. Wegen eines Paars schwarzer Handschuhe, auf denen Schmauchspuren, Blut des Opfers sowie DNA von Olaf C. festgestellt wurde, geht die Kammer davon aus, dass der Lehrer abgedrückt hat.

Alleintäterschaft ausgeschlossen

Eine Alleintäterschaft schloss das Gericht aus. Dagegen spreche allein schon die Sitzkonstellation in dem Pkw, der Robert S. gehörte und von diesem auch gesteuert wurde. Er könne kein unbeteiligter Dritter sein, argumentiert Enders-Kunze. Denn in diesem Fall hätte der Schütze, der eingeklemmt auf der Rückbank saß, davon ausgehen müssen, dass der Fahrer in irgendeiner Form reagiert. Dass er Widerstand leiste, Hilfe rufe oder auch einen Unfall baue. »Ein Alleintäter hätte die Situation nicht beherrschen können.«

Das habe den Angeklagten auch klar sein müssen. »Beide sind ich-bezogen und emotionsarm«, sagte die Richterin. »Aber sie sind intelligent.« Auch das Geschehen nach der Tat deute auf eine Mittäterschaft hin. Obwohl die Angeklagten die Gelegenheit hatten, die Tat zu melden, solange Beweismittel vorhanden waren, sei keiner zur Polizei gegangen. Stattdessen seien die Männer arbeitsteilig vorgegangen. Robert S. habe die Leiche, die auf seiner Hofreite abgelegt worden war, beseitigt. Olaf C. habe sich an der Suche nach dem vermissten Daniel beteiligt und dabei falsche Spekulationen gestreut. Dieser Vertrauensbruch wiege für die Eltern des Ermordeten besonders schwer.

Hinsichtlich des Motivs blieb die Kammer zwar vage, aber dass Geld eine Rolle gespielt hat, daran ließ sie keinen Zweifel. S. habe teure Hobbys gepflegt und geäußert, dass er ein »Topleben deutlich über dem Durchschnitt« anstrebe. C. habe als Studienrat zwar ein festes Gehalt bezogen. Doch jenseits seiner bürgerlichen Existenz habe er ein anderes Leben geführt, in dem nicht nur kostspielige Bordellbesuche, sondern auch Drogen, Falschgeld und illegale Waffen eine Rolle spielten.

Mit dem Urteil folgte die Strafkammer weitgehend den Anträgen von Staatsanwaltschaft und Nebenklage. Für die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld sah das Gericht jedoch keine ausreichende Begründung. Das Urteil ist bisher nicht rechtskräftig. Der Angeklagte S. hat bereits im Vorfeld des Urteils sein Verteidigerteam um einen ausgewiesenen Revisionsspezialisten ergänzt.

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