06. Mai 2025, 18:49 Uhr

Filmvorführung DIE FILMEMACHER

Rückkehr nach Hungen

Deutschlandpremiere für südafrikanische Filmdoku über jüdische Familiengeschichte im Schloss Hungen
06. Mai 2025, 18:49 Uhr
BCZ
Bei der Deutschlandpremiere des Films in Hungen (von links): Aktivistin Usche Merk, die Filmemacher Heidi Grunebaum und Mark Kaplan sowie Christel Lauterbach. Fotos: Czernek

. Der Dokumentarfilm »The Return« feierte jetzt seine Deutschlandpremiere im Blauen Saal des Hungener Schlosses. Das ist so ungewöhnlich wie der gesamte Film, denn der Titel «The Return« (Die Rückkehr) hat gleich mehrere Bedeutungen. Einer davon ist, dass seine Ursprünge in Hungen liegen.

Es war der ausdrückliche Wunsch der Filmemacherin Heidi Grunebaum, dass ihr Werk als erstes in jener Stadt uraufgeführt wird, in der ihre Geschichte begann. Ihre jüdische Großmutter Heidi Emmi Grünebaum, geborene Oppenheimer, stammte aus Hungen und konnte 1936 gerade noch rechtzeitig mit ihrem Mann Arthur Grünebaum vor den Nationalsozialisten nach Südafrika fliehen. Sie starb 1972 in Johannesburg, ohne jemals wieder deutschen Boden betreten zu haben. Drei weiteren Mitglie der jüdischen Familie gelang es dagegen nicht, dem Nazi-Terror zu entkommen. Sie wurden deportiert und ermordet.

Auf Veranlassung der Hungener AG Spurensuche sollten vor dem letzten Wohnhaus der Familie in der Gießener Straße 16 Stolpersteine verlegt werden. Aus diesem Anlass kreuzten sich die Wege von Initiatorin Christel Lauterbach und der Filmemacherin, die seit 2002 bereits mehrfach in Hungen war. Sie hatte schon lange die Idee zu einem Filmprojekt, das sie schließlich mit dem südafrikanischen Filmemacher Mark Kaplan zusammen realisieren konnte.

Entstanden ist dabei weit mehr als eine dokumentarische Nacherzählung von jüdischen Schicksalen in der NS-Zeit. Ausgehend von der Thematik der eigenen Familiengeschichte, wirft der Film auch Fragen des Rassismus und des Kolonialismus auf. Zudem zeigt er deutsche Verstrickungen in das südafrikanische Apartheitsregime.

Die Familiengeschichte bildet dabei den roten Faden des Films, der unterschiedliche Stufen und Arten von Rassismus, Antisemitismus und Unterdrückung aufgreift. Dazu wurden Interviews mit Experten und Betroffenen geführt. Die Anschläge in Hanau sind ebenso Thema wie der Überfall auf eine Flüchtlingsunterkunft.

Der Film, in englischer und deutscher Sprache gedreht und mit deutschen Untertiteln versehen, ist keine leichte Kost. Spannt er doch den Bogen zwischen heutigem Rassismus, Rassenwahn der NS-Zeit, der Apartheits-Ideologie und den Verbrechen des Kolonialismus. Auch kritische Stimmen gegenüber Israel lässt er zu Wort kommen. Es ist ein Film, der zur Diskussion herausfordert. Das wissen die beiden Filmemacher. Daher nahmen sie sich anschließend viel Zeit für ein Gespräch, das in Englisch geführt und von Usche Merk übersetzt wurde.

»Es ist ein provokanter Film, der die Dinge aus einer globalen Perspektive heraus betrachtet«, erläuterte Kaplan im Anschluss an die Vorführung. Rassismus passiere überall. »An vielen Orten wird Faschismus nach wie vor unterstützt«, ergänzte er. Der Film sei vor allem für ein deutsches Publikum konzipiert worden. Als das Duo 2018 mit dem Projekt begann, sei ihnen nicht klar gewesen, wie wichtig das Thema noch für Deutschland werden würde. Als Teil des Problems sehen sie das gesellschaftlich Konfrontative, gegen das sie mit cineastischen Mitteln angehen wollen.

Der Film geht nun auf Deutschland-Tournee. In der Region zu sehen sein wird er erneut am Sonntag, 18. Mai, um 11 Uhr im Kino Traumstern. Auch dort wird es im Anschluss die Möglichkeit zur Diskussion geben.

Heidi Grunebaum ist in Südafrika geboren. Sie ist Schriftstellerin, Historikerin und Professorin und lehrte bis 2024 am Center for Humanities Research an der Universität in Kapstadt. In ihrem Arbeiten befasst sie sich mit ästhetischen und sozialen Reaktionen auf Krieg, Völkermord, staatliche Gewalt und Politik des Gedenkens. Mit Mark Kaplan drehte sie 2013 bereits den Dokumentarfilm »The village under the forest«. Kaplan, geboren in Zimbawe, arbeitet vor allem an okumentarfilmen, die Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit im Fokus haben. Er hat viele internationale Preise gewonnen, darunter einen Emmy. Heute lebt er - wie Grunebaum - in Kapstadt. (bcz)



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