. Endlich kann Helena wieder lachen, sie strahlt übers ganze Gesicht. »Dann hat das rote Pferd sich einfach umgekehrt und hat mit seinem Schweif die Fliege abgewehrt«, singt das kleine Mädchen so laut, dass selbst das Piepen und Rattern der Monitore und medizinischen Geräte übertönt wird. Dass die Sechsjährige aus Lohra (Landkreis Marburg-Biedenkopf) noch lebt, ist ein Wunder. Ihr Schicksal hat über Monate die Menschen bewegt, nachdem sie im Februar ein Multiorganversagen erlitten hatte, klinisch tot war. Ärztinnen und Ärzte am Uniklinikum in Marburg schafften es, sie zu reanimieren. Ein maschinelles Herz - ein sogenanntes Berlin-Heart - hielt das fröhliche Mädchen schließlich am Leben. Inzwischen gibt es aber erlösende Nachrichten: Am Uniklinikum in Gießen konnte ihr erfolgreich ein Spenderherz transplantiert werden. Nun ist Helena wieder zu Hause.
»Dass Helena genau am Deutschen Tag der Organspende ein Spenderherz bekommen sollte, war unglaublich«, sagte ihre Tante Melisa Güleçoglu-Park mit tränenerstickter Stimme und überwältigt von den Emotionen. Als sie im Juni der Anruf erreichte, sei das ein unbeschreibliches Gefühl gewesen. Eine Achterbahn aus Freude und Angst.
OP dauerte mehr als neun Stunden
Danach musste alles ganz schnell gehen, in wenigen Stunden wurde die Sechsjährige auf die hoffentlich lebensrettende OP vorbereitet. »Helena war sehr aufgedreht und hat sich unheimlich auf ihr Herz gefreut. Sie hat sogar gefragt, ob sie ihr Herz nicht vorher sehen könnte«, erinnert sich ihre Tante und muss ein wenig lachen, wenn sie an den Kommentar ihrer pfiffigen Nichte denkt. Die Nachricht, dass tatsächlich ein passendes Spenderherz für Helena gefunden wurde, habe das gesamte Personal auf der Intensivstation des Kinderherzzentrums am UKGM in Gießen berührt, wo wochenlang um Helenas Gesundheit gekämpft worden war. »Auch die Schwestern, die sich so aufopferungsvoll um Helena gekümmert haben, hatten Tränen in den Augen«, so Melisa.
Mehr als neun Stunden dauerte die Operation in Gießen. Neun Stunden warten, bangen und hoffen. Wieder einmal lähmende Ungewissheit. Doch die Herztransplantation gelingt. Aufatmen in der Familie. »Wir hoffen und beten, dass Helenas Körper ihr neues Herz schnell annimmt und sie sich weiterhin gut von der OP erholt«, sagt ihre Tante.
Nach dem Multiorganversagen Anfang des Jahres und der geglückten Reanimation wurde Helena zunächst ins künstliche Koma versetzt. Mutter Claudia und Vater Devrim wichen ihr nicht von der Seite. Die Befürchtungen waren groß, dass ihr einziges Kind nicht mehr aufwacht, oder bleibende Hirnschäden erleiden könnte. »Irgendwann hat sie die Augen aufgemacht. Sie konnte nicht sprechen, aber sie hat die Arme ausgebreitet und wollte mich umarmen«, erinnert sich Vater Devrim Güleçoglu an den wohl glücklichsten Moment dieses Albtraums. Im Kinderherzzentrum in Gießen sei fortan alles dafür getan worden, dass es Helena besser geht. »Was hier geleistet wird, ist wirklich phänomenal«, sagen die Eltern.
»Unendlich dankbar« für Unterstützung
Helena überstand zahlreiche komplizierte Operationen. Aber sie brauchte eben dringend ein Spenderherz. Bei der Überbrückung half ein mechanisches Herzsystem. »Da wird Luft reingepumpt«, erklärte sie selbst wissend die Funktion der gläsernen Blut- und Luftkammer. Über einen Schlauch pumpte ein pneumatischer Antrieb abwechselnd Luft in die Luftkammer der Blutpumpe hinein und wieder heraus. Eine Membran bewegte sich - quasi Helenas Herzschlag. »Sie wusste, dass ihr Herz sehr krank ist und dass deshalb die Maschine die Arbeit für ihr Herz übernommen hat, bis sie ein neues Herz bekommt«, erklärte Mutter Claudia. Und fügte nachdenklich hinzu. »Wo ein neues Herz herkommt, das haben wir ihr nicht gesagt.«
Im Jahr 2022 haben in Deutschland 700 Personen auf ein Herz gewartet. 358 Herztransplantationen konnten durchgeführt werden. »Das sind zu wenige«, kritisiert Sabine Moos, Transplantationsbeauftragte am UKGM. »Am Beispiel von Helena sieht man ja, wie schnell es einen selbst treffen kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass man selbst ein Organ benötigt, ist deutlich höher als die Wahrscheinlichkeit, selbst zum Organspender zu werden«, betont die Fachärztin für Innere Medizin.
Nach einer Herztransplantation ist eine engmaschige Überwachung und lebenslange Immunsuppression erforderlich, um eine Abstoßungsreaktion zu verhindern. Eine erste Biopsie bei Helena sei vielversprechend verlaufen, berichtet ihre Tante. Der Körper des kleinen Mädchens, der in den vergangenen Monaten so viel durchmachen musste, habe das Spenderherz bisher offenbar gut angenommen. »Wir hoffen jetzt, dass es weiterhin bergauf geht«, wünscht sich Melisa Güleçoglu-Park, die unheimlich dankbar ist für all die Unterstützung, die Helena und ihre Familie in den vergangenen Wochen und Monaten erfahren haben. »Zu wissen, dass so viele Menschen in Gedanken und Gebeten bei Helena waren, das hat der ganzen Familie unglaubliche Kraft gegeben.« Alle seien aber auch mit ihren Gedanken und in »unendlicher Dankbarkeit« bei den Angehörigen des gespendeten Herzens, das nun in Helenas Brust schlägt. Jenes Herzens, das Helena die Chance auf ein Leben schenkt.