Noch wird Tim Klüssendorf nicht überall erkannt. Auf dem Hamburger Bahnhof ist es ihm aber bereits passiert. »Ich war ja jetzt auch zwei Abende in der Tagesschau und den Tagesthemen, und dann sehen die einen oder anderen Menschen das«, erzählt er auf Nachfrage mit einem Lachen. Diese Zeitung hat den 33-Jährigen am Freitag in der Friedberger Burg getroffen.
Tim Klüssendorf: Sofort unterwegs in Deutschland
Klüssendorf ist seit zehn Tagen der neue Generalsekretär der SPD Deutschland. Er erklärt, was ihn in die Kreisstadt geführt hat: »Mir war es wichtig, relativ schnell Termine in ganz Deutschland zu machen. Um ein bisschen rauszukommen und viel mitzunehmen für die Dinge, die wir in der SPD neu beginnen wollen.« Die Bad Nauheimer Staatsministerin Natalie Pawlik habe mit ihm 2021 im Bundestag begonnen, wo er den Wahlkreis Lübeck vertritt.
»Sie nimmt nun auch eine wichtige Rolle in der Bundespolitik ein. Wir haben ein gutes Verhältnis. Ich schätze sie sehr, und sie macht tolle Arbeit in Berlin. Deshalb war es mir wichtig, bei ihr zu starten.« Pawlik hatte Politikinteressierte zu ihrem Format »Politik und Pizza« im »ZukunftsRaum« auf der Kaiserstraße eingeladen. Mit Klüssendorf als Gastredner.
Wofür ist er als Generalsekretär bei der SPD zuständig? Wie er erläutert, organisiert er die Parteizentrale. »Das wird gerade jetzt eine große Aufgabe sein, weil wir viele Veränderungsprozesse in der Kommunikation und Organisation vor uns haben. Wir haben durch die Wahlergebnisse bedingt weniger Ressourcen zur Verfügung und müssen uns neu aufstellen. Da bin ich jetzt in dem ganzen Organisationsprozess in der Führung.«
Tim Klüssendorf: Positionen und Zuspitzungen
Nach außen brauche die Partei ein Sprachrohr. »Da bin ich als Generalsekretär immer gefragt, auch die Positionen der SPD zu unterstreichen.« Traditionell sei der Generalsekretär derjenige, der auch mal eine Zuspitzung wagen und Themen verdeutlichen kann. Klüssendorf möchte mit seiner Abteilung stärker in die Zukunft denken. Die Partei müsse mehr erfüllen, als die Regierungsarbeit zu betreuen.
Bei dem Bundesparteitag vor zehn Tagen hat die SPD beschlossen, ein neues Grundsatzprogramm zu erarbeiten. »Wir haben für die vergangenen Grundsatzprogrammprozesse immer viele Jahre gebraucht, wo ganz viele Sitzungen stattgefunden haben, vor allem von Funktionärinnen und Funktionären. Ich habe diesmal das Ziel, dass wir stärker zur Basis gehen. Dass wir Beteiligungsformen finden, wo sich die Mitglieder engagieren können. Wo Mitglieder stärker den Eindruck haben, dass die Spitze sie hört.«
Vereine und Verbände, Bürgerinnen und Bürger - sie alle will er einladen, ihre Ideen und Gedanken mitzuteilen. »Das braucht eine Struktur und gute IT, um auch die digitalen Möglichkeiten zu nutzen«, sagt er. Sein Ziel ist es, zum Parteitag 2027 einen Entwurf vorzulegen.
Zeitgemäße Fragen stellen
Fünf bedeutende Themen hat Klüssendorf beim Parteitag dafür benannt. Sie betreffen die Zwischenmenschlichkeit, das Klima, den Wunsch nach Frieden, den Kampf gegen Rechts und die Verteilungsgerechtigkeit.
»Mir war es wichtig, ein paar Pflöcke einzuschlagen, was wir aus meiner Sicht besprechen müssen.« In der aktuellen Zeit gebe es viele Widersprüche. Etwa, dass die Menschen über die digitalen Medien so nah vernetzt sind wie noch nie - gleichzeitig seien sie so einsam wie noch nie. »Es fehlen soziale Bindungen, Gemeinschaft und Gemeinwesen. Und die Frage ist, wie eine SPD damit umgeht, die sehr stark darauf angewiesen ist, dass Menschen kollektiv denken und sich im Gemeinwesen wohlfühlen. Dass sie aufgefangen sind.« Diese Antworten gelte es, gemeinsam zu entwickeln. »Und ich glaube, dass es uns gelingen muss, auch neue Antworten zu finden.«
Mit dem Herzen dabei
Die »Zeit« hat dem SPD-Vizekanzler Lars Klingbeil in einem Artikel jüngst vorgeworfen den jungen Genossen, der »eines der raren politischen Großtalente der SPD« sei, aus eigenem Machtstreben zu »verheizen«. Der neue Generalsekretär sieht das nicht so.
»Ich habe ganz bewusst die Entscheidung getroffen, zu kandidieren und das anzunehmen«, unterstreicht er. Er sei mit vollem Engagement dabei.
Was sich zeigt, als er losgeht, um im »ZukunftsRaum« Friedberg die Basis zu treffen.
Zur Person
Tim Klüssendorf wurde 1991 in Lübeck geboren, er ist 33 Jahre alt. Er hat den Bachelor in Volkswirtschaftslehre und den Master in Betriebswirtschaftslehre absolviert. Bevor er 2021 in den Bundestag ging, war er als Referent des Lübecker Bürgermeisters Jan Lindenau (SPD) beruflich aktiv. Klüssendorf trat der SPD mit 15 Jahren bei. Er war Vorsitzender der Jusos Lübeck und Mitglied der Lübecker Bürgerschaft. Im Bundestag hat er Sitze in den Ausschüssen für Finanzen und Digitales. Klüssendorf ist seit 2024 Sprecher der Parlamentarischen Linken in der SPD.