23. April 2025, 17:29 Uhr

Gedenkplatz in Reiskirchen

Zeichen der Erinnerung

Ein Gedenkplatz für die ehemaligen jüdischen Mitbürger in Reiskirchen wird erneuert. So soll ihre Geschichte bewahrt werden.
23. April 2025, 17:29 Uhr
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Bürgermeister Tobias Breidenbach (l.), der Künstler Werner Natzschka und Gemeindearchivarin Lea Palitsch. Foto: Gemeinde Reiskirchen

Dank des Reiskirchener Künstlers Werner Natzschka trägt der Gedenkplatz der ehemaligen Synagoge von Reiskirchen nun wieder dazu bei, die Geschichte des Ortes zu bewahren und an das jüdische Leben in Reiskirchen zu erinnern.

Seit 1982 befindet sich auf dem Parkplatz der Gemeinde Reiskirchen hinter der sogenannten alten Schule eine Gedenkplatte, die an die Synagoge der israelitischen Gemeinde von Reiskirchen erinnert. Im Jahr 1988 wurde ein Gedenkstein ergänzt.

Unter Mitarbeit der Heimatgeschichtlichen Vereinigung Reiskirchen wurde im Jahr 2000 von dem Künstler Otto Helmich aus Saasen eine Planskizze der Synagoge an die Trafo-Station gezeichnet, um die Erinnerung an die jüdische Gemeinde zu erhalten. Durch Witterungseinflüsse war nun eine Erneuerung des Gemäldes an der Außenfassade der Transformatorenstation notwendig geworden.

Synagoge in Scheune

Die Reiskirchener Juden waren zunächst Mitglieder in der jüdischen Gemeinde von Großen-Buseck, erhielten jedoch 1863 eine Genehmigung zur Neugründung einer eigenen Gemeinde. Ein erster Synagogen-Vorläufer befand sich im Oberdorf, im oberen Stockwerk eines angemieteten Wohnhauses. Beisetzungen fanden auf dem jüdischen Friedhof in Großen-Buseck statt. Seit 1886 befand sich die Synagoge der israelitischen Religionsgemeinde in einer umgebauten Scheune in der Schulstraße 9 auf dem Gelände zwischen der alten Schule und der Wieseck. Auch ein Badehaus muss sich einst auf dem Grundstück befunden haben, zumindest wurde dies 1881 in einem alten Brandkataster von Reiskirchen vermerkt. Im Jahr 1912 genehmigte man der israelitischen Gemeinde einen kleinen Anbau. Die damalige Planskizze des Synagogenbaus diente als Grundlage für das heutige Gemälde auf der Transformatorenstation.

Nach der Machtergreifung durch die Nazis 1933 lebten noch 38 Menschen jüdischen Glaubens in Reiskirchen. Aufgrund der zunehmenden Kontaktverbote und wegen des wirtschaftlichen Boykotts waren im Jahr 1938 schon einige jüdische Familien aus Reiskirchen geflohen. Am Morgen des 10. Novembers 1938 erreichte ein Sonderkommando von SA-Männern Reiskirchen, um die jüdischen Männer festzunehmen und die hiesige Synagoge in Brand zu setzen. Im Anschluss zog der Mob, der inzwischen von Einheimischen unterstützt wurde, zu den jüdischen Privatwohnungen. Fenster und Türen wurden demoliert, Hausrat und Waren wurden geplündert oder zerstört. Einige Gegenstände wurden beschlagnahmt und versteigert. Nach dem Anschlag begaben sich einige jüdische Familien auf die Flucht. Die letzten jüdischen Einwohner wurden 1942 aus Reiskirchen verschleppt und in Konzentrationslagern ermordet.

Einst lebendige Gemeinde

Die Gemeinde möchte mit der Erneuerung des Gedenkplatzes daran erinnern, dass die jüdische Gemeinde in Reiskirchen einst lebendig war. »Wir wollen mit dem Gedenkort darauf aufmerksam machen, dass historische Ereignisse und die damit verbundenen Opfer nicht vergessen werden«, so Bürgermeister Tobias Breidenbach. »Mein Dank gilt Werner Natzschka für seine ehrenamtliche Arbeit und auch unserer Gemeindearchivarin Lea Palitsch, die sich dieses so wichtigen Themas angenommen hat«, so der Bürgermeister weiter. Die Gemeinde freute sich sehr, als sich der 79-jährige Künstler Natzschka für die Gestaltung der Außenfassade zur Verfügung stellte. Als Reiskirchener Anwohner war es ihm ein besonderes Anliegen, an dem Erhalt des Gedenkortes mitzuwirken. Weitere Projekte zum Gedenken der Reiskirchener Jüdinnen und Juden sind ebenfalls in Planung.



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