15. Februar 2021, 21:51 Uhr

»Entlassen, weil er nicht gratuliert hat«

15. Februar 2021, 21:51 Uhr
Stefan_Schaal
Von Stefan Schaal

Die erste Amtshandlung des neuen Pohlheimer Bürgermeisters Andreas Ruck vor zwei Wochen hallt nach und sorgt weiter für Ärger, vor allem unter den Freien Wählern.

Gegen 9.30 Uhr klingelte es am 1. Februar an der Tür des Ersten Stadtrats Ewald Seidler (FW) in Holzheim. Ein Ordnungspolizist überreichte ihm ein Schreiben der Stadt, unterzeichnet vom Bürgermeister. Es war die Entlassungsurkunde Seidlers als Dezernent für Stadtentwicklung, Umwelt, Energie, Klima und Limes-Tourismus sowie als Beauftragter für Fahrradverkehr.

Die Aufgabe als Dezernent hatte Seidler seit Mai 2015 ausgeübt. Unverständnis löste bei ihm allerdings nicht nur die Absetzung, sondern vor allem die Begründung für die Entscheidung aus. Nach einer Anfrage der Freien Wähler an Ruck erklärte dieser nun, Seidler habe ihm nach der Wahl zum Bürgermeister Pohlheims im November nicht gratuliert.

Seidler selbst hält sich mit kritischen Worten zu der Entscheidung Rucks zurück. Ulrich Sann, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, teilte allerdings in der vergangenen Sitzung des Stadtparlaments vor anderthalb Wochen gegen den Bürgermeister aus. Der neue Überparteiliche wirke auf ihn »sehr bedrohlich«, sagte Sann. »Ähnlich wie ein Schwarm Borkenkäfer auf einen Nadelwald.«

Der in seinen Kompetenzen gestutzte Seidler betont derweil, er habe dem Bürgermeister durchaus gratuliert. Er erinnert an die Ernennung Rucks am 29. Januar. In einer kurzen einleitenden Rede hatte der Erste Stadtrat sich an Ruck gewandt und erklärt: »Im Namen des Magistrates sichere ich Ihnen eine faire, offene und kollegiale Zusammenarbeit zum Wohle der Stadt Pohlheim zu. Ich wünsche Ihnen alles Gute.«

Er reibe sich verwundert die Augen, sagte Sann. Der Bürgermeister habe im Wahlkampf immer betont, wie wichtig ihm das Ehrenamt sei. »Aber erst einmal im Amt, wird der sofortige Rausschmiss des ehrenamtlich tätigen Umweltdezernenten und Radverkehrsbeauftragten ohne Gespräch ausgeführt.«

Ob es sich lediglich um ein Ehrenamt handelte, stellt Ruck allerdings infrage. Laut Entschädigungssatzung der Stadt Pohlheim erhielt Seidler für die Ausübung der Aufgabe als Dezernent 600 Euro monatlich.

Auf Nachfrage dieser Zeitung erklärt Ruck, dass er die bisherigen Aufgaben Seidlers schlicht selbst übernehmen wolle. Die Aufgaben könne er frei gestalten, sie unterliegen der Kompetenz des Bürgermeisters.

Vor allem aber gehe es um eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. »Der Erste Stadtrat ist mein Stellvertreter«, sagt Ruck und fügt hinzu: »Wenn sich der Erste Stadtrat nach der Bürgermeisterwahl im November trotz mehrerer Gelegenheiten nicht einmal meldet und gratuliert, dann gibt es für ein Vertrauensverhältnis keine Grundlage.«



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