So kam es auch in Gießen nach dem Überfall von Hamas-Terroristen auf Israel am 7. Oktober zu einer Zunahme antisemitisch motivierter Übergriffe, wie Birgit Schlathölter von der DEXT-Fachstelle erläuterte. Allein vom 18. Oktober bis 14. Dezember wurden im Vergleich zum Vorjahr mehr als das Fünffache an antisemitisch motivierten Übergriffen bei der Fachstelle registriert.
Aufklärung verstärken
»Im ganzen Jahr 2022 verzeichneten wir zwei, seit Mitte Oktober hingegen schon elf antisemitisch motivierte Taten, nachdem es im laufenden Jahr bis 18. Oktober zu keinen registrierten antisemitisch motivierten Übergriffen in Gießen gekommen war«, so Schlathölter. Auch andere Mitglieder des Runden Tischs berichteten aus ihren Arbeitsbereichen, dass sich antisemitische Tendenzen seit dem 7. Oktober weiter verschärft hätten. Umso wichtiger sei es, so die einhellige Meinung am Runden Tisch, in der aktuellen Situation Aufklärungs- und Bildungsangebote zu verstärken.
Dabei könne man auf positive Erfahrungen in der jüngsten Vergangenheit zurückgreifen, so auf gemeinsame Veranstaltungen der Gießener Jüdischen Gemeinde mit den örtlichen Moscheegemeinden in Schulen oder den beispielhaften Besuch des Holocaust-Zeitzeugen Ivar Buterfas in der Gießener Ditib-Moschee, der von den muslimischen Gemeinden, der Christlich-Islamischen Gesellschaft Gießen, der Stadt und der hessischen Landeszentrale für politische Bildung organisiert worden war.
Die bei der Stadt angesiedelte DEXT-Fachstelle soll nach den Verabredungen des Runden Tischs solche und andere Bildungs- und Informationsangebote koordinieren und auch Referentinnen und Referenten vermitteln, die etwa von Schulen oder Vereinen angefragt werden können.
Zusätzlich will sich der Runde Tisch beteiligen an dem vom European Leadership Network konzipierten und vom Bundesbeauftragten für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus geförderten Projekt »Fragemauer«. Auf der Internetseite fragemauer.de kann man Fragen zum Judentum einreichen, die dort anschließend veröffentlicht und beantwortet werden.
Idee der Kampagne sei es, Unsicherheit und Unwissen über das Judentum entgegenzuwirken und damit gleichzeitig Vorurteile abzubauen. 20 der bisher eingegangenen Fragen zum Judentum wurden grafisch aufbereitet. Die Motive sollen nun in Gießen vor allem über die sozialen Netzwerke ausgespielt werden, um öffentliche Aufmerksamkeit für die Kampagne zu erzeugen.
Auf den Wegen des Dialogs bleiben
Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher betonte, wie wichtig der Runde Tisch gerade in der aktuellen Situation sei: »Insbesondere seit dem 7. Oktober sind wir mehr denn je als Stadtgesellschaft aufgefordert, auf den Wegen des Dialogs zu bleiben, die wir in unserer Stadt entwickelt haben. Der Runde Tisch ist dafür eine wichtige und hilfreiche Gesprächsplattform. Ich bin sehr dankbar, dass wir dort gemeinsam Strategien entwickeln, um Antisemitismus entgegenzuwirken. Die nun verabredeten Maßnahmen sind wichtige Schritte auf dem Weg zu diesem Ziel«, so Becher.