07. März 2023, 13:00 Uhr

Gießen

»Zukunftspapier« soll Uniklinikum stärken

Das Land Hessen hat mit Rhön Klinikum, Asklepios, UKGM sowie den Universitäten in Gießen und Marburg ein »Zukunftspapier Plus« über die nächsten zehn Jahre abgeschlossen.
07. März 2023, 13:00 Uhr
Das Uniklinikum soll mit dem »Zukunftspapier Plus« wieder auf eine bessere Grundlage gestellt werden. Foto: Häuser

»Diese Anschlussvereinbarung erweitert die bisherigen Vereinbarungen zum Zukunftspapier deutlich: Land und das Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM) werden fast 850 Millionen Euro in die Standorte Gießen und Marburg investieren«, erklärten Wissenschaftsministerin Angela Dorn, Finanzminister Michael Boddenberg und die Verhandlungspartner aufseiten von UKGM und Rhön, Prof. Werner Seeger, Dr. Gunther K. Weiß und Prof. Tobias Kaltenbach.

Keine Ausgliederung von Betriebsteilen

Betriebsbedingte Kündigungen bleiben demnach ausgeschlossen, ebenso die Ausgliederung von Betriebsteilen. Ausnahmen könne es allenfalls mit Zustimmung des Landes geben, insbesondere im Gegenzug für die gleichzeitige Wiedereingliederung derzeit ausgelagerter Bereiche. Auch die Übernahmegarantie für Auszubildende gelte weiter.

»Uns war dabei auch wichtig zu regeln, was mit den Mitteln des Landes bei einem möglichen Rückkauf oder Verkauf des Klinikums geschieht. Wir haben ein Berechnungsverfahren vereinbart, das sicherstellt, dass dann der jeweilige Restwert an das Land zurückfließt«, so Ministerin Dorn weiter. Zugleich stünden nun den Investitionen des Landes beträchtliche Mittel des Unternehmens gegenüber: zwei Drittel Land, ein Drittel Unternehmen. Dabei sei besonders wichtig, dass die Gewinne des UKGM auch dort blieben - und zwar bis zur Inbetriebnahme aller mit erster Priorität vereinbarten Investitionen, auch über die Vertragslaufzeit hinaus.

»Darüber hinaus hat sich die Rhön-Klinikum AG verpflichtet, wenn nötig, Eigenmittel bereitzustellen. Damit ist klar, dass die Investitionen umgesetzt werden, auch wenn das UKGM die Mittel nicht vollständig selbst erwirtschaften kann, um die Belastung für das UKGM und dessen Beschäftigte zu begrenzen«, so Dorn.

Hinzu kommt wieder eine Change-of-Control-Klausel: Damit bekommt das Land ein Mitspracherecht zurück. Die Klausel sichert dem Land für den Fall eines Kontrollwechsels in der Eigentümerstruktur ein Rückkaufrecht. Die in den ursprünglichen Verträgen befristete Klausel war 2019 ausgelaufen, eine Verlängerung konnte damals nicht erreicht werden.

Vertrag sichert zukunftsfähige Grundlage

»Der Vertrag mit dem Land Hessen stellt das Uniklinikum auf eine solide zukunftsfähige Grundlage. Unser aller Bestreben ist es, das UKGM als drittgrößtes Uniklinikum Deutschlands weiter auszubauen und zu stärken«, ergänzte Prof. Tobias Kaltenbach, Vorstandsvorsitzender von Rhön. »Ich bin überzeugt, dass dieses Ergebnis für alle Mitarbeitenden in Gießen und Marburg, über alle Berufsgruppen hinweg, ein Signal des Aufbruchs sein wird, unter jetzt verbesserten Bedingungen beste Medizin und universitäre Spezialexpertise für die Menschen in Mittelhessen und weit darüber hinaus anzubieten und weiterzuentwickeln«, so Prof. Werner Seeger, ärztlicher Geschäftsführer des UKGM Gießen.

Das Land stellt dem UKGM jährliche Investitionsmittel für neuestes medizinisches Gerät und Baumaßnahmen zur Verfügung. Beginnend mit dem Jahr 2023 erhält das UKGM eine Landesförderung in Höhe von zunächst 48,15 Millionen Euro. Dieser Betrag wird in festgelegten Raten über zehn Jahre hinweg jährlich gesteigert. Das UKGM seinerseits wird Mittel bereitstellen, die sich im selben Maß wie die Landeszuwendungen steigern, beginnend im Jahr 2023 mit 23,5 Millionen Euro an Investitionsmitteln. Die Investitionssumme kommt Gießen und Marburg gleichmäßig zugute. Rund zwei Drittel sind für Baumaßnahmen, rund ein Drittel für Geräte vorgesehen.

Verdi reichen Vereinbarungen nicht aus

Nicht ausreichend ist das »Zukunftspapier« aus Sicht der Gewerkschaft Verdi. Besonders kritisch sieht Verdi den fehlenden Schutz vor Ausgliederung und Kündigung für die Beschäftigten der UKGM Service GmbH. »Diejenigen, die ohnehin nicht viel verdienen, müssen nun weiterhin um ihre Arbeitsplätze bangen«, befürchtet Gewerkschaftssekretär Fabian Dzewas-Rehm mit Blick auf Ausgliederungen in Asklepios-Kliniken in Hamburg oder Lich. Ungelöst bleibe ebenso die sich verschlechternde Versorgungsqualität. Für Bevölkerung und Beschäftigte seien klare Vorgaben für verbindliche Personalmindeststandards dringend nötig. Weil Politik und Arbeitgeber nicht handelten, habe die Gewerkschaft ein Ultimatum bis zum 24. März 2023 gesetzt. Als letztes Mittel der Wahl gebe es Streik, falls es bis zum Ende des Ultimatums keine Verbesserungen gebe, so der Gewerkschafter.

Positiv sieht Verdi den sich durch die Zahlung von Investitionsmitteln verringernden wirtschaftlichen Druck auf die Beschäftigten, mahnt aber zugleich Investitionen in die Zukunftsfähigkeit des Uniklinikums an: »Das Land Hessen muss sicherstellen, dass die Investitionen zu einer Verbesserung der Aus- und Weiterbildung führen. Baufällige Wohnheime, zu wenig Wohnheimplätze, fehlende digitale Ausstattung in den Schulen, veraltete Unterrichtsräume und insgesamt zu wenig Räume sind aktuell der Standard. Fachkräfte werden am Uniklinikum nur bleiben, wenn hier kurzfristig investiert wird«, sagte Dzewas-Rehm.

Verdi rief die Beschäftigten des Uniklinikums Gießen-Marburg für den 6. und 7. März zu Warnstreiks auf. Dabei geht es um die Durchsetzung ihrer Forderung nach einem Tarifvertrag Entlastung und Beschäftigungssicherung.

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