22. Oktober 2023, 13:00 Uhr

Marburg

Zeitzeuge mahnt gegen das Vergessen

Ivar Buterfas-Frankenthal hat den Holocaust überlebt. Als einer der letzten Überlebenden bereist er Deutschland und erzählt als Zeitzeuge seine Lebensgeschichte.
22. Oktober 2023, 13:00 Uhr
Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies (2.v.l.), Bürgermeisterin Nadine Bernshausen (r.) und Stadtverordnetenvorsteherin Dr. Elke Neuwohner (2.v.r.) begrüßten Ivar Buterfas-Frankenthal und seine Ehefrau Dagmar Buterfas-Frankenthal in Marburg. Dort trug sich der Gast ins Goldene Buch der Stadt ein. Foto: Lena-Johanna Schmidt/Stadt Marburg

Auf seiner letzten Vortragsreise besuchte er auch die Universitätsstadt und Buterfas-Frankenthal sprach mit Ehefrau Dagmar Buterfas-Frankenthal im Cineplex vor Schülerinnen und Schülern der Ober- und Mittelstufe aus drei Marburger Schulen, der Polizei, dem hauptamtlichen Magistrat sowie Vertretern der Kommunalpolitik. Vor der Veranstaltung trug er sich auf Einladung des Oberbürgermeisters Dr. Thomas Spies in das Goldene Buch der Stadt ein.

Mit 90 Jahren unterwegs

»Nie wieder Shoah, nie wieder Verfolgung und Ermordung von Jüdinnen und Juden, nie wieder industrielles Töten von Menschen - das ist unverbrüchlich. Wenn wir uns versichern wollen, dass so etwas nie wieder passiert, ist es wichtig, dass mit den Zeugen von damals gesprochen wird«, begrüßte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies die Holocaust-Überlebenden Ivar und Dagmar Buterfas-Frankenthal und die anwesenden Schülerinnen und Schüler.

An Buterfas-Frankenthal gewandt fuhr Spies fort: »Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie im Alter von 90 Jahren den Weg nach Marburg auf sich genommen haben.«

Als Zeitzeugen reisen beide seit mehreren Jahrzehnten durch Deutschland, Luxemburg, Österreich und die Schweiz. Nach ihrer derzeitigen Deutschlandreise wollen sich Ivar Buterfas-Frankenthal und seine Frau dann zur Ruhe setzen.

In ausgebombten Kellern versteckt

In mehreren Büchern und über 1.500 Vorträgen berichtet er vor allem Kindern und Jugendlichen aus seinem Leben und erinnert an das Grauen der Herrschaft der Nationalsozialisten: 1933 wurde er in Hamburg als Kind einer christlichen Mutter und eines jüdischen Vaters geboren. Sein Vater ist bereits zu Beginn der NS-Herrschaft in das Konzentrationslager Esterwegen im Emsland deportiert worden. Später war der Vater im Konzentrationslager Sachsenhausen und kehrte nach Ende des Krieges zur Familie zurück. Buterfas-Frankenthal selbst wurde aus der Grundschule gejagt, keine sechs Wochen nach seiner Einschulung. Seine sieben Geschwister, seine Mutter und er selbst entgingen nur dank eines Tipps der Deportation, hielten sich für kurze Zeit in Polen auf, kehrten dann nach Deutschland zurück und harrten bis Kriegsende unter anderem in Kellern ausgebombter Häuser aus.

Dem Mobbing in der Schule entgegentreten

Die Vergangenheit holte den mittlerweile 90-jährigen Ivar Buterfas-Frankenthal in den 1980er-Jahren ein. Zu diesem Zeitpunkt entschied er, dass er handeln muss und leistet seitdem Erinnerungsarbeit und engagiert sich für Gedenkorte.

Sein Ziel ist es, der Verdrängung der Gräueltaten der Nationalsozialisten entgegenzuwirken, gegen Unmenschlichkeit und gegen das Vergessen zu mahnen, damit sich so etwas wie der Holocaust nie wiederholt.

Den Schülern gab er Folgendes mit auf den Weg: »Ihr sollt euch eine Frage stellen. Nicht: ›Was kann mein Land für mich tun?‹, sondern: ›Was kann ich für mein Land tun?‹.«

Buterfas-Frankenthal bezog sich weiter auf den ersten Artikel des Grundgesetzes: »Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das beginnt schon auf dem Schulhof, wenn ihr seht, dass jemand gemobbt wird. Geht aufeinander zu und habt Respekt.«

Für sein Engagement erhielt er zahlreiche Orden und Preise. Unter anderem ist er mit dem Bundesverdienstkreuz, dem Weltfriedenspreis und der Europäischen Menschenrechtsmedaille ausgezeichnet worden.

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