06. Juli 2021, 15:00 Uhr

Dillenburg

Abiturientin auf Gorbatschows Spuren

Wer engagiert sich heute für etwas, ohne überhaupt zu wissen, was der »Lohn« für solche Mühen ist? Wohl die wenigsten würden auf einen solchen Deal eingehen.
06. Juli 2021, 15:00 Uhr
»Der Anfang vom Ende der Sowjetunion. Perestroika und Glasnost in der Ära Gorbatschow« ist Titel der Präsentation von Fabienne Koch mit ihrem Belobigungsschreiben. WvO-Schulleiter Martin Hinterlang gratulierte ihr zu ihrer hervorragenden Arbeit. Foto: Markus Hoffmann/WvO

Umso bemerkenswerter, wenn sich junge Menschen auf Unbekanntes einlassen, sich ausprobieren wollen, um ihre Fähigkeiten und Talente unter Beweis zu stellen. So wie Fabienne Koch, eine Absolventin des Jahrgangs 2021 vond er Wilhelm-von-Oranien-Schule. Im Rahmen des Projektes »Kalter Krieg« hat sie im Geschichtsunterricht ihres Lehrers Paul Sajon die beste Präsentation mit dem Titel »Anfang vom Ende der Sowjetunion. Perestroika und Glasnost in der Ära Gorbatschow« erstellt.

Held der Wiedervereinigung

Diese umfangreiche Arbeit befasst sich mit dem Ostblock und dem letzten Anführer der Sowjetunion, Michail Gorbatschow. Dessen Politik wird in seiner Heimat sehr kontrovers betrachtet - ja, von vielen in Russland eigentlich sogar abgelehnt.

Im Westen hingegen wird er als Held der deutschen Einheit und als Gegner der Ost-West-Konfrontation gefeiert. Am 2. März 2021 beging er ohne öffentlichen Rummel seinen 90. Geburtstag.

Er ist der letzte noch lebende große Spitzenpolitiker der Wende 1989/1990. Dies war auch die Gelegenheit, das Lebenswerk dieses großen Staatsmannes im Geschichte-Grundkurs zu würdigen.

Experten begeistert

Es blieb aber nicht bei der Präsentation im schulischen Rahmen. Der ausführliche Beitrag von Fabienne Koch wurde nach Berlin zum Osteuropa-Institut geschickt. Und die dortigen Experten an der freien Universität Berlin lobten die Präsentation als »sehr gut und perfekt«.

Der Russlandexperte Prof. Alexander Libman führte ein fast einstündiges Gespräch per Videokonferenz mit der Dillenburger Schülerin. Dabei ging es um die sowjetische und russische Geschichte sowie die aktuelle Entwicklung in den deutsch-russischen Beziehungen. Fazit des Austauschs war: Die deutsch-russischen Beziehungen werden mittelfristig wohl auf dem heutigen - eher unterkühlten Niveau - bleiben. Fabienne Koch war »sehr überrascht, wie offen und verständnisvoll der Dialog ablief«.

Mit dem Russischen Haus für Wissenschaft und Kultur in Berlin hat sich noch eine zweite renommierte Institution mit der Schülerarbeit befasst. Auch die Vizedirektorin Svetlana Nekrasova lobte in ihrer Nachricht die Arbeit für ihre »Tiefe und Gründlichkeit«.

Im Belobigungsschreiben ist zu lesen: »Ihr Interesse und Ihre tiefgründige Herangehensweise an dieses schwierige zeitgeschichtliche Thema haben uns sehr beeindruckt. Hiermit sprechen wir unsere Anerkennung für Ihre umfangreiche Arbeit aus.« Für Fabienne Koch wurde sogar eine Möglichkeit eröffnet, zur einer thematischen Veranstaltung im Russischen Haus nach Berlin zu kommen.

Thema immer interessanter

Fabienne Koch meinte rückblickend auf ihre Präsentation, dass sie zunächst einfach nur eine bessere Note in Geschichte haben wollte. Deshalb sei sie mit Blick auf das bevorstehende Abitur auch genervt gewesen von dem großen Berg Arbeit, der zu bewältigen war. Sie stand sogar kurz davor aufzugeben.

»Dann aber fiel mir auf, je mehr ich nachforschte, desto interessanter und spannender wurde das Thema für mich und desto mehr wollte ich darüber herausfinden und wissen. Es war wie ein Puzzle. Dass meine russlanddeutsche Familie damals selbst von den Geschehnissen betroffen war, verstärkte meine Wissbegierde zusätzlich.«

Überglücklich war sie deshalb über die große Anerkennung ihrer Leistung und dass sich ihr Fleiß ausgezahlt hat. »Ich kann allen jungen Menschen raten, ihrer Leidenschaft zu folgen. Spezialisiert euch auf die eine Sache, für die ihr brennt, und traut euch, euren eigenen, besonderen Weg zu beschreiten«, resümierte sie am Ende.

Trotz großer Anstrengungen und einem nicht selten ungewissen Ausgang lohnt es sich doch immer wieder, mit einer Projektarbeit anzufangen.

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