Erstmals werde nicht nur der Status quo fortgeschrieben. Die geplante Angebotsausweitung um 50 Prozent mit vielen neuen Buslinien sei aus Sicht der Verbände ein großer Schritt in Richtung der angestrebten Klimaneutralität im Jahr 2035 und der Verkehrswende. Durch die engere Taktung, neue Buslinien und zusätzliche Haltestellen wurden bereits viele Forderungen der beiden Verbände sowie des Fahrgastbeirats im Plan aufgenommen.
»Tempo bei Ausbau des Busnetzes«
»Der Nahverkehrsplan ist erstmals ein richtig großer Wurf«, lobt Jan Fleischhauer vom ADFC Gießen die Bemühungen der Stadt. »Wir freuen uns, dass die Koalition beim Ausbau des Busnetzes nun Tempo macht«, sagt Dietmar Jürgens vom VCD Gießen. Die beiden Verbände haben sich abgestimmt und erstmals eine gemeinsame Stellungnahme verfasst, da sie im Hinblick auf eine Verkehrswende sowie ökologische und nachhaltige Mobilität die gleichen Interessen verfolgen.
Wegen des laufenden Prozesses beschränken sich VCD und ADFC beispielhaft auf einige wesentliche Punkte, die zugleich einen Einblick in das große inhaltliche Spektrum des Nahverkehrsplans und der eigenen Beiträge hierzu geben.
Einer zentralen Schwäche des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in Gießen, nämlich die geringe Nutzung auf Entfernungen zwischen fünf und zehn Kilometern, werde der Nahverkehrsplan noch nicht ausreichend gerecht. Sehr positiv sei hingegen, dass der Plan innerhalb der Stadt neue Direktverbindungen schaffe und bestmögliche Anschlüsse zwischen den Stadtbuslinien anstrebe, sodass sich grundsätzlich kurze und attraktive Fahrzeiten ergäben, die auch Personen vom Auto in den Bus locken könnten. Dass deutlich mehr Stadtbuslinien zum Bahnhof fahren, sei ebenso eine große Verbesserung, um Pendler für den ÖPNV zu gewinnen.
Aspekte des Taktfahrplans kommen zu kurz
Zu kurz kommen ADFC und VCD aber die Aspekte des Taktfahrplans, also an welchen Haltestellen die angestrebten kurzen Umsteigezeiten auch klappen. Hier wünschen sich die Verbände eine Darstellung für einen integrierten Taktfahrplan (ITF), sodass sich insbesondere auch an den Bahnhaltepunkten und zu den Regionalbussen kurze Umsteigezeiten ergeben. Das Motto eines ITF »Erst der Fahrplan, dann die konkrete Linienführung« sehen die Verbände noch nicht ausreichend dargestellt. Für den Gießener Hauptbahnhof sollte seitens der Planer dargelegt werden, dass die vielen neuen Buslinien auch an den wenigen Bussteigen abgefertigt werden können und wie die Anschlüsse zu den wichtigsten Bahnlinien hergestellt werden.
Im Bereich Schwarzacker und Schlangenzahl empfehlen die Verbände einen Tausch der Linienenden. Dadurch würde die bisher bestehende Direktverbindung vom Campus Naturwissenschaften zum Bahnhof erhalten bleiben und das Wohngebiet Schlangenzahl behielte seine Direktverbindung in die Innenstadt.
Die Verbände schlagen vor, dass eine der drei Buslinien aus Wieseck nicht zum Bahnhof, sondern in den Bereich des Uniklinikums fährt und so eines der größten Wohngebiete mit dem größten Arbeitgeber der Stadt verbindet. Besonders sinnvoll wäre dies vor allem zu den Zeiten, an denen am Bahnhof ohnehin keine Züge planmäßig ankommen oder abfahren. Auch hier zeige sich, dass sich das Netz mit einem integrierten Taktfahrplan noch optimieren ließe.
Fahrgastnachfrage genauer untersuchen
ADFC und VCD raten auch dazu, die Fahrgastnachfrage noch einmal genauer zu untersuchen und auf das neue Liniennetz umzulegen. Die Stadt solle so sicherstellen, dass die Überlastung einzelner Linien - wie im Schülerverkehr oder zu den Hochschulen - nicht mehr auftritt. Dank automatischer Fahrgastzählungen in den Einstiegsbereichen der Busse und parallel laufender Fortschreibung des Verkehrsentwicklungsplans liegen deutlich genauere Planungsdaten vor, als sie bisher ausgewertet wurden.
Bei der Haltestellenausstattung fordern ADFC und VCD deutlichere Verbesserungen. An mehr Haltestellen sollten Buswartehallen errichtet und auch mehr Sitzgelegenheiten angeboten werden. Umgebungs- und Liniennetzpläne sollten an viel mehr Haltestellen aushängen. Kritisch sehen die beiden Verbände, dass es bisher keine wesentlichen Verbesserungsvorschläge für die Nachtbuslinien gebe.