06. September 2024, 09:00 Uhr

Gießen

Verabschiedung beim Weißen Ring

»Echte Hilfe, die weit übers Helfen hinausgeht« war auf den Aufstellern der Bühne zu lesen - und damit alles gesagt, um was es beim Weißen Ring geht.
06. September 2024, 09:00 Uhr
Dankesurkunde zur Verabschiedung von Karin Skib (2.v.r.) und Einführung ihrer Nachfolgerin Ilona Moosdorf durch den Bundes- und Landesvorsitzenden des Weißen Rings, Dr. Patrick Liesching (l.), im Beisein von Polizeipräsident Torsten Krückemeier. Foto: Karger

Dieser hatte zur Verabschiedung seiner Gießener Außendienstleiterin Karin Skib in den Hermann-Levi-Saal des Gießener Rathauses eingeladen. Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher, Polizeipräsident Torsten Krückemeier, der amtierende Bundes- und Landesvorsitzende Dr. Patrick Liesching wie auch sein Amtsvorgänger in Hessen, Horst Cerny, würdigten die Arbeit Skibs über fast ein Vierteljahrhundert.

Ilona Moosdorf übernimmt

»Weißer Ring - Wir helfen Kriminalitätsopfern« war jener Hinweis auf der Rückseite der Bühne, der die feierliche Übergabe der Außenstellenleitung von Skib an ihre bisherige Stellvertreterin Ilona Moosdorf prägte. Alle Reden einte der Blick zurück auf den 21. Februar 2001, als Skib noch im alten Rathaus unter dem damaligen Gießener Oberbürgermeister Manfred Mutz und dem seinerzeitigen hessischen Innenminister Volker Bouffier mit der Leitung der Außenstelle betraut wurde.

Mutter des Stalking-Paragrafen

»Ihr Wirken endet nicht an Stadt- und Kreisgrenzen, sondern reicht bis in die Politik hinein«, umriss Liesching das ehrenamtliche Wirken Skibs, die er als eine der geistigen Mütter des Nachstellungs-(Stalking-)Paragrafen 238 des Strafgesetzbuches würdigte.

Ein Stalkingfall sei gleich zu Beginn an sie herangetragen worden. Nicht zuletzt durch Skibs öffentliches Auftreten auch im Fernsehen wurde das Bewusstsein für diesen Straftatbestand und die fehlende Möglichkeit im Strafgesetz, dem Einhalt zu gebieten, geweckt.

Auch jetzt gebe es Projekte: So seien es aktuell Gewaltstraftäter, die Ex-Partnerinnen bedrohen, die mit Fußfesseln zu versehen seien. Aber auch hier fehlten die rechtlichen Voraussetzungen. In Spanien gelte dies seit 2009 erfolgreich und habe dazu geführt, dass es dort keine Tötungsdelikte mehr gebe. In Deutschland hingegen werde an jedem dritten Tag eine Frau von ihrem Ex-Partner getötet. Aktuell sehe es gut aus, dass die Fußfessel komme, und dies sei dann »in der Fernwirkung ein Verdienst von Ihnen«.

In seiner Laudation unterstrich Liesching, dass es Skib gelungen sei, eine verwaiste Außenstelle aufzubauen, neue Mitarbeiter zu gewinnen und Netzwerke zu knüpfen. An die neue Leiterin gerichtet, machte Liesching dieser Mut: »Ich hoffe, sie haben keine Angst, weil die Fußstapfen sehr groß geworden sind. Auf die nächsten Jahre der Zusammenarbeit. Freue ich mich sehr.« Dem langen Einsatz für die Opferverwaltung zollte Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher »Anerkennung und Ehrerweisung für über zwei Jahrzehnte ehrenamtliches Wirken für den Weißen Ring hier in Gießen«. Die Arbeit umfasse nicht nur beratende Opferhilfe, sondern sachlich fundiert auch Begleitung zu Behörden und Gerichten wie auch das Einwerben von Spenden. Skib habe hier ein sehr breites Feld entwickelt. »Die einfühlsame Begleitung war ein Markenzeichen von ihnen«, würdigte Becher Skibs professionelle Beratung wie auch ihren menschlichen Beistand in schwierigen Zeiten und in Ausnahmesituationen.

»Großartige Arbeit. Ein besonderer Tag. Deswegen, weil wir uns von einer herausragenden Opferschützerin des Weißen Rings verabschieden müssen. Ihre unermüdliche Arbeit hat das Leben der Opfer nachhaltig verbessert«, dankte Polizeipräsident Torsten Krückemeier. Dieser räumte ein, dass sich zwar auch die Polizei eine Opferschutzhilfe aufgebaut habe, diese aber doch mit sehr wenig Personal für den Opferschutz ausgestattet sei. »Wir sind dankbar, dass es den Weißen Ring gibt mit seiner Arbeit in Prävention und in der Betreuung von Opfern. Der Polizei fehlt hierfür die Zeit.« Gerade vor diesem Hintergrund sei es gut, dass die Zusammenarbeit mit dem Weißen Ring wichtig und eng ist. Der neuen Außenstellenleiterin versprach der Polizeipräsident, dass »wir Ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn Sie Bedarf haben. Lassen Sie uns in einen offenen und vertrauensvollen Austausch treten«.

Der ehemalige hessische Landesvorsitzende des Weißen Rings, Horst Cerny, lobte Skibs Weg, den Kontakt zu anderen staatlichen Organisationen, wie etwa der Gießener Hilfe, sehr gut zu pflegen - auch in einer Zeit, wo dies beim Weißen Ring nicht unbedingt gern gesehen war, wenn andere Organisationen Opfer betreuen. »Es ist doch egal, es ist eine gemeinschaftliche Aufgabe«, sei hier stets Skibs Devise gewesen. »So haben alle gewonnen.«

Eingebunden in die Liedvorträge »You raise me up« und »Yesterday« sowie zum Ausklang »Nessun Dorma« von Heinz-Jörg Ebert waren Skibs Dankesworte und die Amtsübergabe: »Ich habe mich immer als ein Rädchen im Betrieb eines Ganzen gesehen und hoffe, dass dies so bleibt und weiter ausgebaut werden kann. Mein besonderer Dank gilt allen Spendern und Mitgliedern ohne die wäre die Arbeit nicht möglich«. Als besondere Aktionen erinnerte sie an die Riesenkuchen-Verkaufsaktion vor Karstadt und das Konzert der Drei Stimmen in der St. Albertus-Kirche, wie auch an die lange Verbundenheit mit dem Gießener Lions-Club Wilhelm Conrad Röntgen.

Ihre Nachfolgerin Moosdorf kündigte an, Teamarbeit zu pflegen. Dabei kann sie bei auf 15 ehrenamtlich Mitarbeitende bauen. Die Gießener Außenstelle zählt 200 Mitglieder.

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