03. Dezember 2022, 13:00 Uhr

Allendorf

Lebenshilfe muss Kita-Betrieb teils einschränken

Deutschlandweit - und damit auch im Landkreis Gießen - grassiert derzeit ein akuter Arbeits- und Fachkräftemangel besonders im Bereich der Kinderbetreuung.
03. Dezember 2022, 13:00 Uhr
Nicht nur in der Kita in Allendorf (Lumda) müssen nun zeitweise die Betreuungszeiten reduziert werden. Foto: Lebenshilfe

Immer mehr Kommunen und freie Träger müssen Kita-Gruppen zeitweise schließen. Davon betroffen sind mittlerweile auch die Einrichtungen der Lebenshilfe Gießen, die mit 13 Kitas und rund 1.000 Betreuungsplätzen in Stadt und Landkreis Gießen nach dem evangelischen Dekanat der zweitgrößte Träger ist.

Seit Ende November hat die Kita Allendorf (Lumda) nur noch bis 15 Uhr geöffnet. Für die ganz Kleinen gibt es an drei Tagen nur bis 13.15 Uhr eine Betreuung. »Die reguläre Betreuungszeit bis 16 Uhr kann bis voraussichtlich Ende des Jahres nicht angeboten werden«, berichtet Lebenshilfe-Bereichsleiterin Dr. Rebecca Neuburger-Hees. Grund dafür seien der eklatante Personalmangel, unbesetzte Stellen, eine hohe Personalfluktuation und ein anhaltend hoher Krankenstand, der die Vergleichswerte aus den Vorjahren merklich übersteige.

In den übrigen Kindertageseinrichtungen der Lebenshilfe sieht es nicht besser aus. Auch in der Kita Germaniastraße in Watzenborn-Steinberg und in der Kita Garbenteich müssen zeitweise Betreuungszeiten gekürzt werden. Nicht selten werden einzelne Kitagruppen auch tageweise geschlossen. Im Kinder- und Familienzentrum Anne Frank der Lebenshilfe in Reiskirchen zeigt sich eine ähnliche Situation.

Neuaufnahmen fraglich

»Wir könnten die Aufzählung der betroffenen Kita-Standorte beliebig fortsetzen. In manchen Kitas steht die Frage im Raum, ob Neuaufnahmen verschoben werden müssen, da nicht genug Personal da ist, um die betreuungsintensiven Eingewöhnungen der neuen Kinder durchzuführen«, ergänzt Vorstand Dirk Oßwald, Vorstand der Lebenshilfe Gießen. Teilweise ist auch die Schließung von Gruppen mit einer Umverteilung der Kinder auf die verbleibenden Gruppen im Gespräch. Eltern müssen seit Wochen hinnehmen, dass der Betrieb nicht selten auf Notbetreuung umgestellt wird und sie nur in absoluten Betreuungsnotfällen ihre Kinder in die Kita bringen dürfen. »Die aktuelle Lage ist wirklich dramatisch. So etwas habe ich noch nicht erlebt - und das sagen auch andere Kita-Träger, mit denen ich mich austausche«, so Neuburger-Hees. Die Lebenshilfe könne mancherorts nicht mehr anders, als einen Teil der Last an die Eltern abzugeben. »Dies belastet die Familiensysteme enorm und der Unmut der Eltern steigt - verständlicherweise.«

Von diesen Problemen sei nicht nur die Lebenshilfe betroffen. Mehr als 150 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diverser deutscher Hochschulen hätten kürzlich - unter Federführung von Prof. Klaus Fröhlich-Gildhof (evangelische Hochschule Freiburg) - auf die extremen Belastungen für den Bereich der frühkindlichen Erziehung und Betreuung aufmerksam gemacht. In einem öffentlichen Brief, der unter anderem an die Bundes- und Landesministerien verschickt wurde, warnten die Forschenden vor einem »System-Kollaps«, vornehmlich aufgrund des vorherrschenden Fachkräftemangels sowie gestiegener Anforderungen für das Personal in den Kindertagesstätten. Sie forderten die Politik auf, »deutlich verbesserte finanzielle und fachliche Anstrengungen zu unternehmen«, um das Kita-System zu stabilisieren. Die Lebenshilfe Gießen könne die Einschätzungen dieser Wissenschaftsgruppe aus der Praxis heraus bestätigen.

Anwerbung ausländischer Fachkräfte

Selbst versuche das gemeinnützige Unternehmen mit deutlich mehr Ausbildung und ab 2023 als einer der ersten Träger in Deutschland mit der Anwerbung ausländischer Fachkräfte aus der Türkei gegen den Negativtrend zu arbeiten. »Aber das wird dauern und die Bedarfe steigen derweil weiter. Die Politik muss dringend handeln«, fordern die Verantwortlichen.

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