05. Juni 2024, 13:00 Uhr

Marburg

Konflikte in der Öffentlichkeit sehen und verhindern

Kommunale Konfliktbearbeitung ist ein vielschichtiges Thema in Marburg. Nächtliche Partys im öffentlichen Raum sorgen für Probleme zwischen Feiernden sowie Anwohnern und Anwohnerinnen.
05. Juni 2024, 13:00 Uhr
Rund 30 Experten und Expertinnen aus Forschung, Behörden, Polizei und Freien Trägern haben an der Fachtagung »Kommunale Konfliktbearbeitung« der Stadt Marburg und der Philipps-Universität teilgenommen. Foto: Stefanie Ingwersen/Stadt Marburg

Zusätzlich zu diesen Themen klagen Ordnungskräfte, Feuerwehr und Rettungskräfte regelmäßig über Übergriffe. Rund 30 Experten und Expertinnen aus Forschung, Behörden, Polizei und Freien Trägern haben sich in Marburg getroffen, um sich zu vernetzen und gemeinsam Fragen der kommunalen Konfliktbearbeitung zu diskutieren.

Statistiken spiegeln Empfinden nicht wider

Die polizeiliche Kriminalstatistik zeigt für das vergangene Jahrzehnt und darüber hinaus einen Rückgang von Gewaltdelikten. »Das Sicherheitsempfinden der Menschen richtet sich aber nicht nach den Daten der Kriminalstatistik. Wie das Wort ›Empfinden‹ schon beinhaltet, geht es darum, wie Sicherheit wahrgenommen wird, wie sicher man sich fühlt, und das ist subjektiv«, so Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies. »Unsere Aufgabe ist es, Wege und Strategien zu entwickeln, wie gewalttätige Konflikte und Kriminalität gelöst und bearbeitet werden. Die faktische Sicherheit und das Sicherheitsempfinden der Bürger und Bürgerinnen müssen gleichermaßen gestärkt werden. Vor allem geht es darum, was Kommunen tun können, um gewalttätige Konflikte erst gar nicht entstehen zu lassen.«

Themen der Tagung

Während der Fachtagung wurden drei große Themenbereiche diskutiert: »Aktuelle Problemlagen und deren Entstehung«, »Kommunale Konfliktberatung, Gewaltprävention und polizeiliches Konfliktmanagement« sowie »Kommunale Organisationsstrukturen der Konfliktbearbeitung«. »Für mich war eine wichtige Erkenntnis, dass beim Kommunalen Konfliktmanagement immer mehr globale Krisen und Herausforderungen auch lokal bearbeitet werden müssen: Sehr deutlich wird dies etwa, wenn die Kriege in der Ukraine oder im Gazastreifen auch auf Marburger Schulhöfen zu Auseinandersetzungen führen«, berichtet Johannes Maaser vom Projekt »EinSicht - Marburg gegen Gewalt«. Dafür brauche es auf lokaler Ebene dauerhafte, professionelle Strukturen.

Das Umfeld mit betrachten

»Außerdem ist es wichtig, kommunale Konfliktlagen als ein ganzheitliches Problem zu betrachten. Das bedeutet, wenn es etwa gewaltauffällige Jugendliche gibt, dann darf man sie nicht isoliert als ›das Problem‹ ansehen. Das gesamte Umfeld und das soziale Netzwerk müssen einbezogen werden.« Bei komplexen Problemstrukturen könne es auch hilfreich sein, externe Berater und Beraterinnen hinzuzuziehen.

Umfangreicher Austausch

Neben repressiven Maßnahmen der Gefahrenabwehr, etwa zum Umgang mit bereits auffälligen Gewalttätern und -täterinnen, sei vor allem der Austausch zwischen Behörden und unterschiedlichen Interessengruppen in der Bevölkerung wichtig. Nur wenn viele Sichtweisen, Bedürfnisse und Interessen einbezogen werden, ließen sich Konflikte im öffentlichen Raum problembewusst und nachhaltig bearbeiten. Zur Ansprache von Jugendlichen und jungen Erwachsenen seien zum Beispiel Konfliktbearbeitungstrainings ein Weg.

Anpassung der Stadtgestaltung?

Einen besonderen Schwerpunkt bilde auch die Gestaltung von Innenstädten: »Die Frage ist, wie städtische Raumplanung so gelingen kann, dass ganz unterschiedliche Menschen den öffentlichen Raum nutzen können, ohne jeweils andere zu belästigen und damit Konflikte entstehen zu lassen? Wie kann man etwa auch jungen Leuten die Möglichkeit bieten, ohne große Kosten eine Party zu feiern? Dazu gibt es in der internationalen kommunalen Konfliktbearbeitung positive Beispiele, die wir uns näher angeschaut haben. Wie beispielsweise in Zürich, wo verschiedene Orte für junge Leute zum Feiern angeboten werden, jeder Ort aber nur ein oder zweimal im Jahr, sodass Anwohner und Anwohnerinnen sich darauf einstellen können«, so Prof. Dr. Ulrich Wagner.

Organisation der Tagung

Die Fachtagung »Kommunale Konfliktbearbeitung« wurde gemeinsam von der Stadt und der Philipps-Universität organisiert und von der Deutschen Stiftung Friedensforschung finanziell unterstützt. Zu der Fachtagung haben Johannes Maaser vom städtischen Fachdienst Gefahrenabwehr und Gewerbe sowie die Marburger Sozialpsychologen Prof. Dr. Ulrich Wagner und Prof. Dr. Christopher Cohrs rund 30 Experten und Expertinnen eingeladen. Bei der Tagung vertreten waren neben städtischen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen unterschiedlicher Fachdienste und Stabsstellen aus mehreren deutschen Großstädten auch die Polizei und die Staatsanwaltschaft.

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