»Den Opfern jeglicher Art, all den unzähligen Toten, die auf dem Schlachtfeld, in Vernichtungslagern, im Bombenhagel in den Städten oder als unbeteiligte Zivilbevölkerung durch Kampf- oder Strafmaßnahmen ihr Leben verloren haben, gedenken wir heute«, sagte Kreistagsvorsitzender Claus Spandau in seiner Ansprache: »Zerstörte Lebensläufe, zumindest aber gestörte Lebensläufe - solch persönliche Tragödien trafen auch Millionen Deutsche, die nach dem zweiten Weltkrieg vertrieben wurden. Viele verloren nicht nur die Heimat, sondern auch ihr Leben. Die meisten von ihnen waren persönlich unschuldige Opfer eines verheerenden Krieges, der zweifellos von Deutschland verursacht und verschuldet war. Auch die Vertriebenen haben Anspruch darauf, dass wir uns ihres Schicksals erinnern, dass wir sie nicht allein lassen, sondern im nationalen Gedächtnis bewahren. Wir gedenken heute auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt Opfer geworden sind. Wir gedenken der Opfer von Terrorismus und Extremismus, Antisemitismus und Rassismus in unserem Land, die in jüngerer Zeit deutlich zugenommen haben.«
Versöhnungsprozesse vorantreiben
Der Kreistagsvorsitzende fuhr fort: »Wann immer und wo immer wir heute helfen können, Blutvergießen zu beenden und Not zu lindern, oder wenn wir einen Beitrag leisten können, Versöhnungsprozesse voranzutreiben, oder wenn wir helfen können, Menschen vor Gewalt und Terror zu schützen, dann müssen wir dieses tun. Wir dürfen nicht wegschauen, als ginge uns das nichts an. Der Volkstrauertag ist ein Tag der Erinnerung und der Besinnung: der Erinnerung an Krieg und Gewalt und des Gedenkens an all die Toten. Wir verneigen uns in Trauer vor ihnen und bleiben ihnen verbunden in der dauerhaften Verpflichtung für Frieden, Freiheit, Demokratie und Menschlichkeit.«
Wunsch nach Frieden
Musikalisch umrahmte der von Guido Beilborn geleitete evangelische Posaunenchor Lich die Gedenkfeier. Sechs Jugendliche der 9. Klasse der Gesamtschule Gleiberger Land von Dr. Dennys Sawellion verlasen ihre Wünsche und Hoffnungen. »Es sind hier auch Schüler dabei, die Krieg in der Ukraine und Kurdistan erlebt haben«, verriet Sawellion, während nach dem eingespielten Lied von Udo Lindenberg »Wozu sind Kriege da?« Matti Schneider, Shiyar Ahmad, Bohdan Basadyk, Polina Pavel, Daniil Pereplesnin und Marharyta Sharabarova ihre Eindrücke vermittelten. »Sag mir, wo ist das Ende? Angst, Verzweifeln, Besorgnis, Mitgefühl. Ich wünsche mir, nie wieder einen Krieg zu erleben. Freiheit, Erleichterung« waren Worte der Jugendlichen, wie auch der Wunsch nach einem weltweiten »Kriegsende, Respekt, Mitgefühl und Frieden«.
Dekanin Barbara Lang hatte mit »Ich habe dich bei deinem Namen gerufen« ihre Ansprache Worte aus dem Buch des Propheten Jesaja zu Grunde gelegt. Staatsminister a.D. Karl Starzacher, Präsident des Landesverbands der Kriegsgräberfürsorge, sprach das Totengedenken und versicherte: »Unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung und Versöhnung.«
Mit der Niederlegung von vier Kränzen im frühgotischen Kapitelsaal am Gedenkstein, der die Worte »mortui viventes obligant« (Die Toten verpflichten die Lebenden) trägt, und Klängen des Posaunenchores fand die Gedenkfeier ihren Abschluss.
Claus Spandau und der erste Kreisbeigeordnete Christopher Lipp legten den Kranz des Landkreises Gießen und des Kreisausschusses, Bürgermeister Dr. Julien Neubert und erster Stadtrat Burkhard Neumann den für die Stadt Lich und Vertreter der Bundeswehr den für den Bundesverteidigungsminister und den Verband der Reservisten der deutschen Bundeswehr nieder.