23. September 2022, 13:00 Uhr

Gießen

»Essiggässchen« und Unterführung reaktivieren

Seit fast 50 Jahren ist in Gießen der schmale Fußweg »Essiggässchen« zwischen Alicenstraße und der sich anschließenden Bahnunterführung zum Riegelpfad gesperrt. Das könnte sich bald ändern.
23. September 2022, 13:00 Uhr
An dieser Stelle würde der Weg in den Riegelpfad münden. Foto: Häuser

Nach Ansicht des Kreisverbands Gießen des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) wäre dies eine nützliche Fußwegeverbindung zwischen Uni- und Kliniksviertel sowie darüber hinaus auch über die Friedrichstraße zum Bahnhof, ohne dass Fußgänger die vielbefahrene Frankfurter Straße entlanggehen müssten. Ein Nebeneffekt sei auch, dass geschlossene Bahnschranken bei Nutzung der Unterführung »kein Thema« wären.

RP: Weg als öffentliche Straße anzusehen

Eine Prüfung der rechtlichen Situation durch das Regierungspräsidium (RP) Gießen habe nun ergeben, so der VCD, dass die Sperrung rechtswidrig sei, denn der Weg sei als öffentliche Straße anzusehen. Stadt und Bahn seien verpflichtet, den Weg wieder zu öffnen. Die Bahn müsse den bestehenden Tunnel wieder in einen verkehrssicheren Zustand überführen und erhalten, sodass er der Bevölkerung wieder zur Verfügung stehe. Die Bahn wäre auch verpflichtet, sich an den Kosten für eine Verbreiterung oder Erhöhung des Tunnels zu beteiligen und den Ausbau zu unterstützen, wenn die Stadt es für notwendig hielte.

Statt die sinnvolle Fußwegachse nun wieder zu öffnen, wolle die Stadtverwaltung aber den gegenteiligen Weg einschlagen: Per öffentlicher Bekanntmachung habe das Tiefbauamt angekündigt, die Widmung als öffentlichen Weg einzuziehen. Einwände dazu können Interessierte noch bis zum 25. Oktober schriftlich gegenüber dem Magistrat der Stadt Gießen erheben. Hierzu ruft der Gießener Kreisverband des Verkehrsclubs Deutschland ausdrücklich auf. Sowohl die Stadtverordneten wie auch der Magistrat könnten die Pläne des Tiefbauamtes noch stoppen.

Den Weg zu entwidmen, hält der VCD auch strategisch für ungeschickt. Dann könne die Bahn den Tunnel sofort verfüllen. Wollte die Stadt den Tunnel nach einer Entwidmung später dann doch reaktivieren, müsse sie die Kosten für die Sanierung oder den Neubau allein tragen und wäre hinsichtlich der Umsetzung in einer deutlich schlechteren Verhandlungsposition gegenüber der Bahn als heute.

Der VCD rät daher, dass die Stadt die Widmung aufrecht erhält, den Weg freiräumt und die Bahn auffordert, den Tunnel in einen verkehrssicheren Zustand zu überführen. Bis dahin könne die Stadt die Sperrung mit der fehlenden Verkehrssicherheit begründen, was das RP angesichts der von der Stadt angeführten Baumängel eine Zeit lang akzeptieren dürfte.

Die Vorteile liegen für den VCD auf der Hand: Die Option auf eine Reaktivierung bleibe erhalten, der Bedarf könne in Ruhe geprüft und - bei positivem Ergebnis - die Sanierung mit der für die Bahnunterführung verantwortlichen Deutschen Bahn AG abgestimmt werden.

Die Kosten für die Herrichtung der Bahnunterführung, die den »Löwenanteil« der Sanierung ausmachen dürfte, wären von der Bahn zu tragen. Die Stadt Gießen habe die Chance, mit wenig Aufwand konkret etwas für den Fußverkehr zu tun.

Der VCD weist ergänzend darauf hin, dass die Wiedereröffnung des »Essiggässchens« im Rahmen der Bürgerbeteiligung zum Verkehrsentwicklungsplan (VEP) die am häufigsten gewünschte Maßnahme zugunsten des Fußverkehrs war. Es sei daher absurd, vor dem noch ausstehenden Beschluss des VEP vollendete Tatsachen zu schaffen. Aus Liebigstraße und Riegelpfad würde das »Essiggässchen« die Verbindung an die Wieseck herstellen, deren Verlauf von der Wieseckaue bis zur Mündung in die Lahn hier einen Abzweig erhielte.

Nur mit Zusatzaufwand barrierefrei

Dabei sei den Aktiven im VCD klar, dass die Bahnunterführung nur mit Zusatzaufwand barrierefrei umgebaut werden könnte. Auch ohne Barrierefreiheit wäre das »Essiggässchen« aber für alle anderen Nutzerinnen und Nutzer von Vorteil. Befürchtungen, die enge Bahnunterführung könnte zu einem »Angstraum« werden, nimmt der VCD ernst. »Generell werden Unterführungen - gerade nachts - als unsicher und angsteinflößend wahrgenommen und sind es teilweise auch objektiv.« Doch selbstverständlich gäbe es keinen »Benutzungszwang« und der Umweg beispielsweise über die Frankfurter Straße stünde auch weiterhin zur Verfügung.

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