19. November 2022, 13:00 Uhr

Gießen

»Emotionale Erschöpfung überall zu spüren«

Seit Ausbruch des Krieges ist das Gießener Hilfswerk GAiN unermüdlich im Einsatz, um die Menschen in der Ukraine und den angrenzenden Ländern zu unterstützen.
19. November 2022, 13:00 Uhr
Klaus Dewald ist Leiter von GAiN und hat mit seinem Team den größten Konvoi in der Geschichte des Gießener Hilfswerks organisiert. Foto: GAiN

Mehr als 100 Hilfstransporte hat die international agierende Organisation bis jetzt auf den Weg gebracht. Jüngst startete ein Konvoi aus fünf Lkw Richtung Ukraine. Geladen wurden unter anderem große Zelte mit Ausstattung, die als Anlaufpunkt für Flüchtende zum Einsatz kommen. Einer der Fahrer war GAiN-Leiter Klaus Dewald. Zur Besatzung gehörten außerdem Anna und Nils Pettkus, Leiter des Ukraine-Projekts von GAiN.

Viele Menschen sind traumatisiert

»Viele Menschen in den umkämpften Gebieten harren über eine lange Zeit in ihren Kellern aus, haben meist keine Wasser- oder Stromversorgung und leben unter ständiger Anspannung, ob ihr Haus als nächstes von Raketen getroffen werden kann«, berichtet Projektleiterin Anna Pettkus. Menschen, die es schaffen, in den Westen des Landes zu fliehen, sind stark traumatisiert, weil sie ihr ganzes Leben zurücklassen oder zusehen mussten, wie ihr Zuhause zerstört wurde. Viele haben Familienangehörige verloren.

Zum Wintereinbruch wird mit einer weiteren Flüchtlingswelle gerechnet. Darauf bereiten sich die Menschen im Westen des Landes vor. GAiN will mit seinem großen Netzwerk weiterhin der Not im Land begegnen. Teil der Ladung war ein vollständiger Küchencontainer, der von der Feuerwehr in Frankfurt gespendet wurde.

»Unsere Partner in der Westukraine sind für einen der Standorte in ihrer Stadt zuständig, der Menschen im Falle eines massiven Stromausfalls unter anderem mit Lebensmitteln und Heißgetränken versorgt. Der Küchencontainer hat einen Generator und kann deshalb für Lebensmittelzubereitung autonom verwendet werden. Somit ergänzt er wunderbar die mitgelieferten Zelte«, erklärt Projektleiter Pettkus.

Ort zum Aufwärmen

Auf der Ladeliste standen auch das Equipment für diese Versorgungszelte wie Heizung, Beleuchtung, Tische und Stühle sowie Lebensmittelpakete. Die Zelte werden durch Generatoren beheizt und bieten den Menschen, die durch fehlende Energieversorgung in ihren Wohnungen frieren würden, einen Ort zum Aufwärmen. Zudem werden ihnen dort Essen und Getränke angeboten. Im Notfall dienen die Zelte auch als Schlafplätze für neu ankommende Geflüchtete, falls sie noch keine Unterkunft haben.

Klaus Dewald ist nach der Rückkehr in Gießen dankbar für den erfolgreichen Transport. »Das war bisher der größte Konvoi in der GAiN-Geschichte. Alles hat super geklappt von den Grenzübertritten über das Passieren der vielen Checkpoints bis zur Entladung der Transporte. Einer der Partner dankte mir mit Tränen in den Augen für diese Hilfe, unser Dasein und die Anteilnahme.« Die Partner von GAiN seien überwältigt. »Wir sind sehr dankbar für die großartige Hilfe, die genau zum richtigen Zeitpunkt kommt. Ich bin begeistert von eurem Einsatz für die Ukraine. Eure Energie gibt auch uns Kraft«, sagte ein verantwortlicher Pastor. Die Hilfstransporte wurden an drei Standorten entladen. Einer der Container verbleibt in der Ukraine und wird dem Partner von GAiN als temporäres Lager dienen. Die großen Versorgungszelte werden an verschiedenen Standorten aufgebaut, unter anderem in Riwne in der Westukraine.

Neuer Flüchtlingswelle entgegenwirken

»Wir freuen uns, dass wir unseren Partnern und dem Bürgermeister der Stadt Riwne dabei helfen können, den Herausforderungen des Winters und einer neuen Flüchtlingswelle positiv entgegenzuwirken«, kommentiert Anna Pettkus. Befragt nach ihren Eindrücken während der Reise, sagt sie weiter: »Die Ukrainer sind kriegsmüde. Die emotionale Erschöpfung ist überall zu spüren. Auch an unseren Partnern geht das nicht spurlos vorbei. Doch das Wissen, dass so viele Menschen an sie denken und ihnen helfen wollen, setzt neue Kräfte frei.«

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