Wie können Kirche und Diakonie vor Ort gemeinsam wirken - besonders im ländlichen Raum? Welche Netzwerke bestehen bereits und was braucht es, um neue Verbindungen zu stärken? - so lauteten die Fragestellungen.
Den Auftakt bildete ein gemeinsamer Beginn in der Marienstiftskirche Lich. Dr. Anke Spory, Pröpstin für Oberhessen, eröffnete den Tag mit einem herzlichen Dank an alle Beteiligten - insbesondere an die gastgebende Kirchengemeinde Lich. Ziel des Tages sei es, sich als Kirche und Diakonie gegenseitig besser kennenzulernen - vor Ort, mit Gesichtern, als Menschen, die für Themen stehen.
Die Theologin leitet seit September 2023 die Propstei Oberhessen - eine von fünf Propsteien in der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN). Sie umfasst fünf Dekanate mit mehr als 300 Kirchengemeinden in den Landkreisen Gießen, Wetterau und Vogelsberg. Hier leben 335.000 evangelische Christinnen und Christen, begleitet von 280 Pfarrerinnen und Pfarrern. Die Kirche ist in dieser Region tief im sozialen und gemeinschaftlichen Leben verwurzelt - auf dem Land ebenso wie in der Stadt. Genau dort, wo Kirche und Diakonie oft am unmittelbarsten gebraucht werden.
Einen nachdenklich-bewegenden Impuls gab die Theologin, Publizistin und langjährige EKD-Sozialreferentin Cornelia Coenen-Marx (Agentur »Seele und Sorge«). In einer bewegten Kennenlernrunde standen die Teilnehmenden im Kirchengang aufgereiht: Wie lange bist du schon auf deiner aktuellen Arbeitsstelle? Von »11 Tage« bis »36 Jahre« war alles dabei. »Wofür brennst du? Was ist dein Thema?« - daraus entwickelten sich Gespräche, Beziehungen, Ideen.
»Vielfalt tut gut«
»Diakonie ist auch das, was zwischen uns geschieht«, so Coenen-Marx. Sie sprach über sorgende Gemeinschaften, neue Wohnformen, Nachbarschaftsnetzwerke und über die Bedeutung von Begegnungs-orten, die niedrigschwellig und offen für alle sind. »Vielfalt tut gut«, betonte sie, und: »Wir schaffen gute Orte, wenn wir uns auf das Wesentliche besinnen: Lebensmittel, Lebenssinn und Lebensbegleitung sein.«
Einen tiefen Einblick in ihre tägliche Arbeit gaben die Regionale Diakonie Gießen und die Regionale Diakonie Oberhessen. Bereichsleitungen aus Gießen stellten ihre breit gefächerten Arbeitsfelder vor - von der Tafel über Wohnungslosenhilfe, Straffälligenhilfe, Suchthilfe, Flüchtlings- und Sozialberatung, Frauenberatung, Seniorenarbeit und Jugendhäuser bis zum Familienzentrum. Besonders deutlich wurde: Die Angebote sind wichtig, vielfältig - und oft überlastet.
Ressourcen für Hilfe knapp
Die Wartelisten sind lang, die Ressourcen knapp - sowohl personell als auch materiell. Allein bei den drei Tafeln in Gießen, Grünberg und Hungen werden 5.200 Menschen versorgt, darunter 1.700 Kinder. Und trotzdem versuchen die Mitarbeitenden, mit Akutsprechstunden für möglichst viele Menschen da zu sein.
»Multiple Problemlagen nehmen deutlich zu«, wurde dabei betont. Christoph Balasch von der Regionalen Diakonie Gießen richtete einen Appell an die Kirche: »Rufen Sie uns an, wenn Sie Menschen mit Unterstützungsbedarf in Ihren Gemeinden sehen. Sie sind nah dran - wir können gemeinsam helfen.«
Auch der ländliche Raum wurde nicht ausgeklammert. Barbara Lang, Dekanin im Dekanat Gießener Land, sagte klar: »Auch auf den Dörfern gibt es viel Armut, Einsamkeit und Not. Wir müssen die Augen noch mehr öffnen, uns vernetzen und informieren.«
Auch die Regionale Diakonie Oberhessen stellte ihre Angebote für die Landkreise Wetterau und Vogelsberg vor: Teilhabezentren, Wohnungslosenhilfe, Straffälligenhilfe, Beratung für Schwangere, Arbeitsintegration, Schuldnerberatung, Paar- und Familienberatung, Erziehungsberatung, Jugendhilfe, Antidiskriminierungsberatung, Kindertagespflege - die Liste ist lang.
Zum Abschluss bedankte sich Pröpstin Dr. Anke Spory bei allen, die zum Gelingen beigetragen hatten: Pfarrer Lutz Neumeier (Kirchengemeinde Lich), Dr. Dorette Seibert (Dekanin im Dekanat Vogelsberg und Teil des Vorbereitungsteams), Sigrid Unglaub (Leiterin Regionale Diakonie Gießen) und Christoff Jung (Leiter Regionale Diakonie Oberhessen).
Verbindung von Kirche und Diakonie
Tobias Lauer, Geschäftsführer der Regionalen Diakonie Hessen-Nassau (RDHN), formulierte es zum Schluss so: »Sehen wir diesen Tag als Startschuss für gute Zusammenarbeit. Hören wir zu, öffnen wir unser Herz - und vor allem: Haben wir einfach Mut. Reden wir mit den Menschen. Fangen wir an.«