Drei leistungsfähige Großwärmepumpen entziehen künftig dem Flusswasser Wärme und speisen sie in das bestehende Fernwärmenetz ein. Diese Aggregate bilden das Herzstück einer sogenannten iKWK-Anlage. Das Projekt gehört zu den größten in der Unternehmensgeschichte. Die Wärmeproduktion deutschlandweit zu dekarbonisieren, gilt in Fachkreisen als zentraler Baustein für die nationale Energiewende und das Erreichen der ambitionierten Klimaziele.
Herzstück eines staatlichen Förderprojekts
Das Kürzel iKWK steht für innovative Kraft-Wärme-Kopplung. »Innovativ bedeutet in diesem Kontext, dass ein Teil der vom Gesamtsystem erzeugten Wärme regenerativ entsteht«, präzisiert Matthias Funk, technischer Vorstand der SWG. Genau diesen Part übernehmen die drei Wärmepumpen in der Schlachthofstraße.
Um die Wärmewende zu beschleunigen, fördert der Staat iKWK-Projekte. Förderungen aus der Staatskasse sind üblicherweise an strenge Kriterien geknüpft. So zum Beispiel ist klar definiert, aus welchen Bestandteilen sich ein förderfähiges iKWK-System zusammensetzen muss. Insgesamt drei Komponenten sind nötig: eine hocheffiziente KWK-Anlage, ein rein elektrisch betriebener Heizkessel und ein regenerativ arbeitender Wärmeerzeuger. Für das Projekt PowerLahn bedeutet dies konkret: Die drei mit Ökostrom angetriebenen Wärmepumpen an der Lahn bilden den regenerativen Part. Gut zwei Kilometer Luftlinie südwestlich auf dem Gelände des Heizkraftwerks im Leihgesterner Weg lassen die SWG zwei hocheffiziente Blockheizkraftwerke (BHWK) und eine leistungsfähige Power-to-Heat-Einheit installieren. Eine Kombination, die gleich mehrfach überzeugt: Die Ingenieure haben die Wärmepumpen so ausgelegt, dass sie rund 3.900 Haushalte mit Wärme und Warmwasser versorgen können - CO2-neutral versteht sich. Neben jeder Menge Wärme produzieren die beiden BHKW genug Strom für 21.300 Durchschnittshaushalte. Der Elektrokessel dient der sogenannten Sektorenkopplung. »Je mehr solche Power-to-Heat-Systeme ans Netz gehen, desto besser lässt sich das Potenzial von Wind- und Sonnenenergie nutzen«, erklärt Matthias Funk die Idee dahinter. Die elektrischen Wärmeerzeuger wandeln potenziell überschüssigen Sonnen- und Windstrom in Wärme um. Und die lässt sich im Gegensatz zu Strom vergleichsweise einfach speichern - im bestehenden Fernwärmenetz. »Das entlastet obendrein die Stromnetze«, nennt Funk einen weiteren Vorteil.
Umwelt profitiert doppelt
All das führt dazu, dass in Gießen künftig deutlich weniger CO2 in die Umwelt gelangt. Verglichen mit Gaskesseln sparen allein die Wärmepumpen rund 7.767 Tonnen CO2 pro Jahr ein. Insgesamt wird die Anlage rund 29.000 Megawattstunden emissionsfreie Wärme erzeugen und so etwa zehn Prozent zur Gießener Fernwärme beitragen.
»Aufgrund seiner hervorragenden Umweltbilanz ist PowerLahn ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg, die Stadt Gießen bis 2035 klimaneutral zu machen«, erklärt der kaufmännische SWG-Vorstand Jens Schmidt.
Neben den massiven CO2-Einsparungen hat PowerLahn noch einen weiteren positiven Effekt für die Umwelt: Aus Effizienzgründen ist geplant, die Wärmepumpen vor allem in den wärmeren Monaten arbeiten zu lassen. Und genau das verbessert die Lebensbedingungen für viele in der Lahn heimische Tierarten. Denn wegen des Klimawandels erwärmt sich das Wasser gerade im Sommer immer öfter und stärker. Was dem Wohlbefinden von Fischen, Schnecken und anderen Bewohnern nicht gerade zuträglich ist. Denn je höher seine Temperatur, desto weniger Sauerstoff kann Wasser binden. Dieser schädlichen Entwicklung wirken die Wärmepumpen entgegen. Schließlich entziehen sie dem Fluss Wärmeenergie und senken so die Wassertemperatur wieder ab. Was den Tieren im Fluss das Leben erleichtert.
Die SWG stellen aber nicht einfach ein rein funktionelles, viereckiges Betongebäude in die Schlachthofstraße. Stattdessen wird ein Zweckbau entstehen, der auch ästhetisch überzeugt. Zudem erhält die Energiezentrale große, runde Fenster in der zur Fahrbahn gerichteten Fassade.
Um das nötige Wasser aus dem Fluss in die Wärmepumpe und wieder zurückzubekommen, bauen die SWG ein Ein- und ein Auslaufbauwerk direkt am Lahnufer.