26. Mai 2022, 13:00 Uhr

Gießen

»Demokratie muss man üben«

Von September an leitet Simone Sterr die Geschicke des Stadttheaters Gießen mit einem neuen Team. Auf das Publikum warten neue Formate und neue Gesichter.
26. Mai 2022, 13:00 Uhr
Neues Team und neues Logo: Simone Sterr (Mitte) leitet ab September als Intendantin das Stadttheater Gießen. Foto: Oliver Schepp

Die designierte Intendantin Simone Sterr beschrieb ihre Vision des Theaters als demokratische Teamarbeit, als »Ort der vielen Stimmen«, subversiv und frei von politischen Ansichten, geprägt von eigenwilligen Persönlichkeiten.

Schon mit der Spielzeiteröffnung möchte das neue Team eine Menge bewegen und Perspektiven wechseln. Für »Posthuman Journey« von Pa To Yan (Premiere: 30. September) wird die Grenze zwischen Bühnen- und Zuschauerraum gänzlich aufgehoben. Regisseur Thomas Krupa, Choreograf Raphael Hillebrand und der Komponist Hannes Strobl erarbeiten diesen Ritt durch Mythen der Vergangenheit hin zu abgefahrenen Zukunftsvisionen gemeinsam mit allen Sparten.

Junges Theater mit vielen Möglichkeiten

Als erste Sparte präsentierte das junge Theater seine Pläne. »Das hat es noch nie gegeben«, betonte Theaterpädagoge Sebastian Songin diese Aufwertung, die sich auch in einem festen, dreiköpfigen Ensemble ausdrückt. Seine Stelle ist neu geschaffen, um mit Workshops und Kooperationen vielfältige Möglichkeiten für junge Menschen anzubieten, sich auf und hinter der Bühne einzubringen.

Mathilde Lehmann stellte als künstlerische Leitung des jungen Theaters eine Reihe von Produktionen vor, darunter »Luft nach oben« von Fabienne Dür über Klassismus und die eigene Entscheidungshoheit auf dem Bildungsweg. Auch das junge Publikum wird eine spartenübergreifende Produktion erleben: In »Ente, Tod und Tulpe« von Leopold Dick setzen sich Musiktheater, Tanz, Performance und Schauspiel mit der Frage nach dem Tod auseinander, ganz ohne Sprache und Gesang. Als Familienstück ist ab November Wilhelm Hauffs Märchen »Das kalte Herz« im großen Haus zu erleben.

Auch den Spielplan des Musiktheaters prägt ein deutliches Bekenntnis zu zeitgenössischen Stücken. Insgesamt konnte die künstlerische Leiterin Ann-Christine Mecke vier Opern vorstellen, die in den letzten 25 Jahren entstanden sind. Das Publikum darf sich aber auch auf bekannte Namen und Stücke freuen.

Andreas Schüller gibt seinen Einstand als Generalmusikdirektor. Zu den gewohnten Sinfonie-, Kammer- und Chorkonzerten gesellt sich eine neue Reihe mit »Previews« vor jedem Sinfonie- und Chorkonzert, um Neugier auf die Konzerte zu wecken. Das beliebte Neujahrskonzert soll künftig zweimal aufgeführt werden. Stellvertretender Generalmusikdirektor und erster Kapellmeister wird Vladimir Yaskorski, Dramaturgin für Musiktheater und Konzert die Autorin und Dozentin Daniele Daude.

Constantin Hochkeppel als neuer künstlerischer Leiter der Tanzsparte freut sich darauf, das Physical Theatre in Gießen zu etablieren, eine Kombination aus tänzerischen und theatralen Mitteln. Hochkeppel will auch mit Ausbildungseinrichtungen vor Ort zusammenarbeiten, gemeinsam mit Caroline Rohmer als stellvertretender künstlerischer Leiterin und Dramaturgin.

Bogen von Dantons Tod bis zu Fritz Bauer

»Demokratie muss man üben« - unter dieses Motto stellt Simone Sterr, die das Schauspiel leitet, den konsequent zeitgenössischen Spielplan der Sparte. Kollege Tim Kahn schlägt den Bogen von Georg Büchners »Dantons Tod« bis zu »Der Staat gegen Fritz Bauer« nach dem Film von Lars Kraume über den Wegbereiter der Frankfurter Auschwitzprozesse.

Die Regisseurin und Autorin Ayse Güvendiren wird sich in einer »Spielzeit der Erinnerungskultur« mit mehreren Aktionen, Diskursen und inszenatorischen Aufschlägen mit dem Erinnern beschäftigen und einen Bogen schlagen von den Verbrechen der Nationalsozialisten der Vergangenheit in die schmerzhafte Gegenwart rechter Gesinnung und rechter Anschläge.

Die Spielzeithefte mit dem vollständigen Programm werden voraussichtlich Mitte Juni vorliegen.

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