11. September 2023, 13:00 Uhr

Gießen

Beschäftigte in den ersten Arbeitsmarkt bringen

Ein landesweites Pilotprojekt besiegelten Landrätin Anita Schneider und Lebenshilfe-Vorstand Dirk Oßwald in einer Kooperationsvereinbarung mit ihren Unterschriften.
11. September 2023, 13:00 Uhr
Landrätin Anita Schneider und Lebenshilfe-Vorstand Dirk Oßwald (vorne) unterzeichneten den Kooperationsvertrag zwischen der Kreisverwaltung und der Lebenshilfe Gießen. Foto: Berger

Vor der Sommerpause hatte der Kreistag grünes Licht zur Umsetzung des Konzeptes »Der Landkreis Gießen als vorbildlicher inklusiver Arbeitgeber« gegeben. Die nun unterzeichnete Vereinbarung ist zunächst bis zum 31. Dezember 2024 befristet. »Wir reden nicht über Schwerbehindertenquote und deren Erhöhung. Da ist und war der Landkreis immer schon gut aufgestellt mit zehn Prozent. Hier geht es um eine andere Zielgruppe«, machte Schneider gleich zu Beginn deutlich. Es sei nicht die erste Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe bezüglich Menschen, die in der Kreisverwaltung arbeiteten und von der Lebenshilfe begleitet würden. »Das hat fast schon Tradition und viele haben mittlerweile ihren unbefristeten Vertrag.«

»Wir wollen Menschen aus den Werkstätten in den ersten Arbeitsmarkt bringen«, brachte es Oßwald auf den Punkt. Mit der Landrätin stellte er Daniel Wagner vor, einen Mitarbeiter mit Behinderung, der seit dem 1. Juli in der Kreisverwaltung in der Abteilung Zentrale Dienste tätig ist. Sechs Stunden täglich ist Wagner im Posteingang tätig und »extrem glücklich«. Sein Ziel sei, »irgendwann fest eingestellt zu werden«. Dem steht nichts entgegen, dient doch die aktuelle Tätigkeit auch dazu, Erfahrungen zu sammeln und den Beruf kennenzulernen - um sich dann dafür zu entscheiden oder aber wieder in die Werkstätte zurückzukehren.

Beide Seiten profitieren von Vereinbarung

Für beide Seiten ist es eine Win-win-Situation. Zum einen wird ausgelotet, ob es funktioniert und zum anderen werden Defizite aufgedeckt und deren Beseitigung in Angriff genommen. »Die Mitarbeitenden aus den Werkstätten für Menschen mit Behinderung können in einem Praktikum herausfinden, ob der Arbeitsplatz zu ihnen passt, ihnen gefällt und welche Unterstützung sie für eine weitere Beschäftigung brauchen«, erläuterte die bei der Lebenshilfe für Betriebsintegrierte Beschäftigungsplätze verantwortliche Petra Emin. Alternativ sei auch ein Betriebsintegrierter Beschäftigungsplatz (BiB) ohne vorhergehendes Praktikum möglich. Dann bleibe der Mitarbeiter weiterhin Angehöriger der Werkstatt und könne jederzeit wieder dorthin zurück.

Die Betreuung vor Ort erfolgt durch einen Beschäftigten des Landkreises und durch die Lebenshilfe. Eingesetzt aus den Lebenshilfe-Werkstätten werden Menschen, die in der Regel eine feste Ansprechperson benötigen, die um die Besonderheit dieser Menschen weiß und die Maßnahmen im Rahmen des Konzeptes unterstützt und positiv begleitet. In der Kreisverwaltung stehen als Einsatzmöglichkeiten zunächst der Servicebetrieb und der Fachdienst Zentrale Dienste zur Verfügung, wobei auch bereits im Servicebetrieb bei den Hausmeistern an den Schulen ein Mitarbeiter mit Behinderung tätig ist.

Kooperationen auch mit anderen Trägern

Wie Landrätin Schneider zudem ausführte, seien künftig weitere Kooperationen auch mit anderen Trägern geplant, um Inklusion am Arbeitsplatz umzusetzen. »Alle Mitarbeitenden sollen sich barrierefrei und selbstbestimmt im Arbeitsleben bewegen können. Menschen mit und ohne Behinderung sollen die gleichen Chancen haben. Strukturen sollen so verändert werden, dass sie allen Menschen mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten gerecht werden. Vorhandene Fähigkeiten sollen unterstützt und behindertenbedingte Einschränkungen durch gezielte Maßnahmen ausgeglichen werden.«

Aus eigener Erfahrung aus seiner Dienstzeit als Erster Kreisbeigeordneter merkte Oßwald an, dass bereits zu dieser Zeit gute Erfahrungen, etwa bei einem Autismusprojekt, gemacht wurden. »Durch Inklusion kommen die Potenziale eines jeden einzelnen besser zum Vorschein und können passgenau eingesetzt werden. Die steigende Vielfalt in der Belegschaft kann ein Gewinn für den Landkreis als Arbeitgeber sein, denn Menschen mit Behinderung verfügen über Fähigkeiten, die für den Kreis wertvoll sein können«, so Oßwald mit dem Hinweis, das gerade diese Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderung eine Voraussetzung für ein gleichberechtigtes Leben in der Gesellschaft darstelle. Landeswohlfahrtsverband wie auch die Landesbehindertenbeauftragte Rika Esser seien sehr an dieser Kooperation interessiert, wobei Esser diesbezüglich ihren Besuch bei der Lebenshilfe angekündigt habe.

Der Unterzeichnung wohnte auch der Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderung des Landkreises Gießen, Michael Volter, bei, der dies ausdrücklich begrüßte und auch von einer Vorreiterrolle des Kreises bei diesem Pilotprojekt sprach. Seitens der Lebenshilfe Gießen gibt es aktuell 70 Mitarbeiter, die außerhalb der Werkstätten im Rahmen von BiB-Plätzen unterstützt werden.

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