Die Lagergemeinschaft Auschwitz - Freundeskreis der Auschwitzer (LGA) wurde vor 50 Jahren auf Initiative des ehemaligen Auschwitzhäftlings Hermann Reineck in Münzenberg gegründet. Der aus Österreich stammende Reineck war Zeuge im Frankfurter Auschwitzprozess, lernte dort Anni Rosmann kennen. Sie wurden ein Ehepaar und lebten in der Wetterau. Diethardt Stamm war als Münzenberger einer ihrer Gesprächspartner und später auch für etliche Jahre im Vorstand der LGA. Als Reineck am 29. Dezember 1995 verstarb, hatte Stamm viele Unterlagen von ihm, die er dann in den Folgejahren ergänzte und aktualisierte.
Zum Gedenken an Reineck verblieb der Vereinssitz der LGA in Münzenberg, wechselte aber in das Haus von Stamm. Altersbedingt übergab er das jetzt an das Archiv der Stadt Münzenberg.
Zur Eröffnung sprach Stadtrat und Stadtarchivar Hagen Vetter auch im Namen der erkrankten Bürgermeisterin Dr. Isabell Tammer, die sich schon bei der Organisation der Veranstaltung sehr engagierte. Vetter wies auf die Bedeutung der zu übergebenden Archivalien hin und sagte dazu, dass die Stadt schon in den 1970er-Jahren ihre Räumlichkeiten für die Zwischenlagerung von Spenden für Essen und Gebrauchsgegenstände zur Verfügung stellte, die dann an bedürftige ehemalige Auschwitzhäftlinge nach Polen gefahren wurden.
Es sei eine Ehre, nun die historischen Schriftstücke der LGA zu übernehmen, auch zur Nutzung bei zukünftigen Veranstaltungen. Weitere Sprecherin war die Bundestagsabgeordnete Natalie Pawlik. Stamm erläuterte ihren besonderen Bezug zur LGA. Das ging zurück auf die erste bundesdeutsche rot-grüne Koalition auf Kreisebene, die in der Wetterau entstand. Einer der ersten Anträge war die Durchführung einer Fahrt des Kreistages unter der Führung von Hermann Reineck nach Auschwitz. Im neuen Jahrtausend wurde das dann unter der Regie von Landrat Joachim Arnold - der jetzt in Münzenberg auch anwesend war - wiederholt. Und als wichtig erschien die Mitnahme von Mitgliedern des Kreisschülerrats.
Unersetzliche Stücke und Erfahrungen
Deren Sprecherin war Natalie Pawlik. Sie bezog sich bei ihrer jetzigen Rede auch auf die damaligen Erfahrungen und wies darauf hin, wie wichtig es ist, das junge Menschen sich in einem ehemaligen KZ wie Auschwitz über die Ausmaße von Naziterror informieren. Bücher seien dazu wichtig, aber sie würden nicht das ersetzen, was man vor Ort erlebe.
Pawlik sagte auch, dass sie weiter alles tun werde um die immer noch vorhandene Rechtsradikalität in unserer Gesellschaft zu bekämpfen. Als nächster Redner kam Manfred de Vries, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Bad Nauheim, zu Wort. Er erzählte als Sohn zweier Überlebender der Shoah (Völkermord an Juden) von seinem Familienleben, der Vernichtung von Leben in Auschwitz bis hin zum KZ Stutthof im Norden von Polen. Die Abschlussrede kam von Hans Hirschmann vom Vorstand der LGA. Er nahm unter anderem Bezug auf die aktuelle Arbeit der LGA und sagte: »Die Unterstützung der ehemaligen Konzentrationslager-Häftlinge steht auch heute noch an oberster Stelle unseres Engagements. Das gilt natürlich auch für deren Angehörige sowie die Angehörigen derer, die in den Lagern und Gefängnissen der Gestapo den Tod fanden«. Selbst die monatliche Zahlung an eine fast hundertjährige Auschwitz-Überlebende dafür, dass sie weiterhin in ihrer Wohnung versorgt werden kann, stellte Hirschmann als eine aktuell wichtige Maßnahme dar. Unter anderem erwähnte er, das sogenannte Ambulatorium in Krakau, das die LGA schon seit Jahren finanziell fördert. Dort fanden früher die Überlebenden zusammen, wurden medizinisch betreut, und die Einrichtung war ihnen auch als sozialer Treffpunkt wichtig.
»Über Auschwitz darf kein Gras wachsen«
Heute sind es Angehörige der zweiten und dritten Generation, die sich dort treffen und Unterstützung erfahren. Wichtig war für Hirschmann aber auch die Umsetzung einer allgemeinen politischen Bildung nach dem Motto »Über Auschwitz darf kein Gras wachsen« und er sagte: »Das hatte uns Hermann Reineck ins Stammbuch geschrieben«.
Stamm bedankte sich bei allen Rednern und übergab symbolisch ein erstes Buch für das Stadtarchiv und erläuterte beispielhaft dieses historische Schriftstück. Das knüpfte an die LGA-Gründung und die Etablierung eines Spendenkontos an. Reineck sagte damals: »Vor einem Konto bei der Deutschen Bank oder der Dresdener Bank kann ich nur warnen, denn das sind Institutionen, gegen die direkt nach dem Krieg Ermittlungen wegen deren Nazitätigkeiten aufgenommen wurden.« Diese Banken hatten sogar Firmen unterstützt, die den Aufbau von KZs durchführten. Die Dokumente dazu sind bis heute im National Archiv der USA, aber schon 1947 erschienen in Amerika dazu Bücher. Und ein solches Buch, das erst nach dem Tod der meisten Bankverbrecher als Übersetzung herauskam und auf das sich Reineck bezog, zeigte Stamm dem Publikum und übergab es.
Zum Abschluss wurden neben alten, aber historisch interessanten, Dias und Tonkassetten auch CDs überreicht. Dazu gehörte auch eine mit dem Titel »Erinnern für Gegenwart und Zukunft« bei der Überlebende des Holocaust berichten. Daraus wurde zum Abschluss der Münzenberger Synagogenveranstaltung ein 30-minütiger Film über und von der Zeitzeugin Irmgard Konrad gezeigt. Sie erzählte dort ihre Geschichte vom Kampf gegen den Nationalsozialismus und von ihrer Verfolgung als Sozialistin und Jüdin.
Viele der Anwesenden wünschten sich für eine demokratische Zukunft eine weitere Nutzung der LGA-Archiv-Unterlagen und die Durchführung ähnlicher Veranstaltungen.