20. Juni 2019, 11:00 Uhr

Wetzlar

Ukraine auf Europa-Kurs

Auf Einladung des CDU-Bundestagsabgeordneten Hans-Jürgen Irmer kam der Botschafter der Ukraine, Dr. Andrij Melnyk, zu einem Besuch nach Wetzlar.
20. Juni 2019, 11:00 Uhr
Botschafter Dr. Andrij Melnyk (l.) mit Hans-Jürgen Irmer vor einem historischen Torhaus in der Altstadt. Foto: Gerstberger

Melnyk schilderte im »Wetzlarer Hof« das gestörte Verhältnis zu Russland durch die Besetzung der Krim und den De-facto-Krieg in der Ostukraine. Vor dem Hintergrund der Wahl des neuen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj berichtete der Botschafter über die Hintergründe und die Lage des nach Russland flächengrößten Landes in Europa.

Mitgliedschaft in der EU angestrebt

Die Richtung ist klar: »Wir wollen in die EU«, stellte Melnyk unmissverständlich fest. Bei den anstehenden Parlamentswahlen werde sich die pro-europäische Haltung der Ukraine erweisen. »Höchstens 15 Prozent der Abgeordneten würden es bevorzugen, enger an Russland heranzurücken. »Wir sind weltoffen und voller Begeisterung für Europa«, betonte Melnyk.

Hausaufgaben machen

Um die wirtschaftlichen Beziehungen mit der Bundesrepublik zu vertiefen, müsse sich in der Ukraine vieles verändern. Das betriffe das Rechtssystem ebenso wie Wirtschaftsreformen und die Bekämpfung der Korruption. Mit der Neubesetzung des Obersten Gerichts und dem Auswechseln von vielen der rund 1.000 Richter habe man bereits entsprechende Prozesse eingeleitet.

In Wetzlar sprach Melnyk unter anderem auch mit IHK-Vertretern, um Möglichkeiten einer engeren wirtschaftlichen Zusammenarbeit auszuloten. Es geht darum, dass deutsche Unternehmen in der Ukraine investieren: insbesondere im Bereich des Maschinenbaus und unter anderem für die Textilindustrie. Als »Kornkammer Europas« biete die Ukraine als Handelspartner viele Möglichkeiten.

Trotz des Kriegs sieht Melnyk auch Chancen im Tourismus. Neben den ukrainischen Unesco-Weltkulturerbestätten nannte er sogar das havarierte Atomkraftwerk Tschernobyl als Reiseziel.

Hoffnung auf Frieden

Durch den seit fünf Jahren andauernden militärischen Konflikt im Osten, der inzwischen fast 10.000 Tote gefordert hat, hat sich die Lage im Land drastisch verschlechtert. Von den fast 40 Millionen Ukrainern sind viele nach Polen oder Tschechien ausgewandert. Die Währung ist stark abgewertet und ein Viertel der Wirtschaftskraft verlorengegangen. Allerdings gehe es seit etwa drei Jahren wieder bergauf.

Durch das Festhalten an den kriegerischen Auseinandersetzungen wolle der russische Präsident Wladimir Putin die Ukraine, die er als Teil Russlands ansehe, schwächen. »Trotz der gegen Russland verhängten Sanktionen ist er aber immer noch bereit dazu, diesen Preis zu zahlen«, so Melnyk. Tatsächlich sei es Putin aber möglich, den Krieg mit einem Fingerschnippen sofort zu beenden.

Eine realistische Chance auf eine Wiedervereinigung mit der von Russland annektierten Krim-Halbinsel kann Melnyk vorerst nicht erkennen: »Solange Putin an der Macht ist, gibt es darauf keine Hoffung.«

Zum Programm Melnyks gehörten auch Besuche im Lottehaus und bei Leica.

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