09. Dezember 2019, 10:03 Uhr

Gießen

Die Krux mit den verkaufsoffenen Sonntagen

Fakt ist: Das Gesetz zur Regelung der verkaufsoffenen Sonntage läuft zum 31. Dezember 2019 aus - und muss daher von der Landesregierung neu geregelt werden.
09. Dezember 2019, 10:03 Uhr
Belebte Innenstädte - ein wichtiges Thema für jede Kommune. Helfen dabei könnten ein paar verkaufsoffene Sonntage. Allerdings kommt es aktuell immer wieder zu Absagen von geplanten Events. Archivfoto: Reichel

Diese versprach auch »Rechtssicherheit« zu schaffen, da Veranstalter und Geschäfte ständig mit kurzfristigen Absagen konfrontiert werdenDiese »Rechtssicherheit« sehen Kommunen, Wirtschaftsverbände und Geschäftsleute allerdings nicht gegeben und kritisieren den Vorschlag von Sozialminister Kai Klose (Grüne) scharf - denn im Prinzip ändert sich nichts.

Klagen kommen sofort und haben Erfolg

Theoretisch dürften Kommunen die bisher erlaubten vier verkaufsoffenen Sonntage im Jahr für ihre Zwecke nutzen, Unterhaltungsangebote buchen und planen sowie den Geschäften erlauben, für gewisse Zeiten ihre Türen zu öffnen. Fakt ist dann aber auch: Sobald der verkaufsoffene Sonntag geplant ist, wehren sich Gewerkschaften und Kirchenverbände dagegen und erwirken - meist oft kurzfristig ein paar Tage vor dem Fest - eine Absage.

Klar, dass der Ärger der Planer groß ist und auch finanzielle Einbußen damit einhergehen. Im Klartext bedeutet dies: verkaufsoffene Sonntage haben momentan (fast) keine Chance mehr. Der Knackpunkt an der Neuregelung - es gibt im Prinzig keinen neuen Vorschlag: Verkaufsoffene Sonntage sollen weiter »eine enge Bindung an örtliche Großveranstaltungen wie Volksfeste, Messen und historische Märkte« haben.

Demzufolge müssen mehr Besucher zum Fest als zum Shoppen kommen. Kurios dabei ist, dass das Bundesverfassungsgesetz dies in keinster Weise so vorgibt. Diesen Punkt hat auch Gießens Oberbürgermeisterin Dietlind Grabe-Bolz in einer Stellungnahme an die Landesregierung zum Gesetzentwurf mitgeteilt.

Ebenso bestätigt ein Gutachten von Rechtsprofessor Dr. Johannes Dietlein (Universität Düsseldorf) diesen Punkt. Er führt aus, dass »ein öffentliches Interesse« an einem verkaufsoffenen Sonntag laut Gesetz ausreiche. Dieses »öffentliche Interesse« ist im Übrigen in Berlin und in Nordrhein-Westfalen gang und gäbe, um verkaufsoffene Sonntage zu genehmigen. Einzig die FDP im Hessischen Landtag sieht das ebenso.

Zeichen des Kauf-Wandels nicht erkannt?

»Das restriktive Verhalten der Landesregierung hat bei der Gesetzesvorlage alles andere als zur Klarheit beigetragen. Die Formulierungen sind teilweise schwammiger als zuvor«, sagt Heinz-Jörg Ebert, Inhaber des Schuhauses Darré und Vorsitzender BID-Seltersweg. »Die nahezu rechtliche Undurchführbarkeit der verkaufsoffenen Sonntage zeigt, dass die Landesregierung weder das veränderte Verbraucherverhalten, noch die Nöte des Einzelhandels ernst genommen hat. Schließlich gibt es beim Onlinehandel ›durchgehende Sonntagsöffnungen‹. Die positiven Resonanzen der Besucher an einem offenen Sonntag - gerade hier in Gießen - zeigen doch offensichtlich ein anderes Bedürfnis. Bei so unterschiedlichen Positionen wird es leider nicht leichter, die Atmosphäre zwischen Kirchen und Gewerkschaften sowie dem Handel vor Ort wieder auf eine Ebene zu holen. Es gab Zeiten, da wurden im Schulterschluss gemeinsam große Projekte im Sinne eines lebendigen Gießens auf die Beine gestellt. Die Landesregierung hätte durch Klarheit einen Beitrag leisten können. Und um es nochmal festzuhalten: Wir sprechen über vier rechtssichere, planbare halbe Sonntage - keinen mehr«, macht Ebert deutlich.

»Leider ist die Landesregierung nicht mutig genu, ein in der Praxis nicht funktionierendes Gesetz zu ändern«, kritisiert auch Frank Sommerlad, Geschäftsführer der Sommerlad-Gruppe. »Auf der Grundlage des Gutachtens von Dr. Johannes Dietlein wäre es möglich, eine echte Novellierung für lediglich vier verkaufsoffene Sonntage im Jahr durchzuführen. Somit wird es in der Metropole Frankfurt keine und für Gießen keine rechtssichere verkaufsoffene Sonntage geben. Diese werden nur geduldet«, ergänzt Sommerlad.

Drei-Monats-Frist utopisch

Hinzu kommt im Gesetzentwurf der Vorschlag, dass eine Genehmigung der Sonntagsverkäufe künftig drei Monate im Voraus erfolgen soll - inklusive ordentlicher Begründung im Antrag. Ein absolutes Unding in den Augen der Kommunen und Geschäftsleute. Auch hierzu äußert sich Grabe-Bolz: »Es ist praktisch unmöglich, ein Ereignis so im Voraus zu planen, dass ordentliche Prognosen gestellt werden können, die an die Zulassung einer Ladenöffnung gestellt werden müssen.«

Historie nützt nichts

Aber auch traditionelle Feste halfen teilweise nicht, dass verkaufsoffene Sonntage gecancelt wurden. Zum Beispiel in Gießen fiel Liebigs Suppenfest der Regelung zum Opfer. Und die Stadt hatte zum Stadtfest erst gar keinen beantragt, um ein böses Erwachen zu vermeinden. In Frankfurt etwa reichte den Kritikern sogar das Museumsuferfest nicht als Grund, die Läden zu öffnen.

Lebendige Städte fördern

Wirtschaftsverbände, Handelskammern oder auch der Hessische Städtetag sehen als weiteren Punkt für eine bessere Gesetzeslage der verkaufsoffenen Sonntage zudem den wichtigen Faktor der lebendigen Innenstädte.

Allenorts würden sich Verantwortliche die Köpfe zerbrechen, wie das Geschäftssterben in den Städten vermieden werden könne. Mit verkaufsoffenen Sonntagen würde es hier einen kleinen Ansatz geben, den Einzelhandel zu stärken und vor dem Onlinehandel zu schützen.

Aktuelle Termine

Die Stadt Gießen hat Mitte der Woche übrigens die beiden festen Termine für verkaufsoffene Sonntage 2020 bekannt gegeben: So ist für »Sport in der City« am 29. März 2020 und am »Krämermarkt« am 11. Oktober 2020 rechtzeitig ein solcher beantragt.

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