In seinem fünften Roman aus der Provinz zwischen Wetterau und Vogelsberg lässt Dietrich Faber (Ex-)Kommissar Bröhmann wieder ermitteln - mit Klamauk und politischem Ernst. Ein Interview.
27. September 2017, 11:02 Uhr
Von Philipp Keßler
Es ist der fünfte Streich von Dietrich Faber. In seinem neuen Roman erweckt er erneut den etwas phlegmatischen Vogelsberger (Ex-)Polizeihauptkommissar Henning Bröhmann nebst Familie und den einen oder anderen schrulligen Freund und Bekannten zum Leben. Doch während die ersten vier Bücher Fabers meist klamaukig daherkamen, wird der Autor im neuen Werk thematisch ernster. Es geht um die Flüchtlingskrise und den Zulauf rechter Gruppierungen. »Hessen zuerst« heißt die Bewegung, angeführt von Bröhmanns ungeliebtem Nachbarn Rüdi, die den hessischen Landtag im Sturm erobern will. Ausgerechnet dann wird ein Bürgermeister ermordet, zwei Flüchtlinge sind dringend tatverdächtig. Das kann selbst der sonst so lethargische Familienvater und Hausmann Bröhmann nicht einfach so hinnehmen.
Am 1. Oktober feiert Fabers Buch fast schon traditionell auf der Bühne seine Premiere mit der Show zum Buch. Der Streifzug hat den Autor im Vorfeld zu einem Gespräch über sein neues Buch, seine Arbeit an sich und die ungewohnte politische Note seines Schaffens eingeladen.
Herr Faber, Ihr Buch hat trotz allem Klamauk und Lokalkolorit ein ungewohnt ernstes Thema. Haben Sie Angst, dass Sie so einen Teil Ihrer Stammleser verlieren?
Faber: Ich gebe zu, dass ich darüber nachgedacht habe – auch mit dem Verlag zusammen. Das hatte aber auch den Grund, dass, als ich das Buch geschrieben habe, noch überhaupt nicht klar war, wie es mit der AfD weitergeht oder ob noch weitere Terroranschläge passieren. Ich nehme es jetzt einfach in Kauf, denn ich kann mir auch vorstellen, dass ich auch neue Leser dazugewinnen kann. Ansonsten baue ich darauf, dass meine Stammleser merken, dass der Ton und der Style von Henning Bröhmann und Co. bestehen bleiben. Ich wollte mich persönlich weiterentwickeln und brauchte einen Kick, indem ich schaue, ob ich so ein Thema auch in einem Unterhaltungston verpacken kann. Dass das ein Risiko ist, war mir klar, aber gerade das hat mich daran gereizt. Wenn ich nur auf Nummer sicher gehen würde, würde ich vermutlich anfangen, mich selbst zu langweilen.
Ich habe versucht, die Grautöne zwischen dem Schwarz-Weiß-Denken herauszuarbeiten
Dietrich Faber
Was waren die Hintergründe, dass die Wahl genau auf dieses Thema fiel?
Faber: Das Thema hat mich als politisch denkenden Menschen und als Privatperson beschäftigt, es ist ein Thema, worüber ich oft wütend und ernst war. Dann hat es mich aber gereizt, ob es möglich ist, dieses Thema, was mich so sehr beschäftigt, worüber ich so viel gelesen habe, wo ich auch Sorgen habe, in das Bröhmann-Genre zu überführen. Das fand ich als Aufgabenstellung spannend. Ich habe versucht, die Grautöne zwischen dem Schwarz-Weiß-Denken herauszuarbeiten, trotzdem sollte es neben dem ernsten Thema immer noch ein gut zu lesendes Buch sein, mit einem leichten Ton, der Spaß macht. Wäre das am Ende nicht der Fall gewesen, hätte ich es gelassen.
Wie viel Dietrich Faber als politisch denkender Mensch steckt drin?
Faber: Es wäre Quatsch, zu behaupten, dass die Sicht von Henning Bröhmann, dem Ich-Erzähler, weit weg von meiner persönlichen Grundhaltung ist. Trotzdem ist Bröhmann jemand, der seine Ruhe haben will, sich nicht einmischen möchte, der also weiterhin phlegmatisch ist – und das deutlich mehr als ich. An einigen Punkten habe ich schon überlegt, was Bröhmanns Meinung ist, was meine Meinung ist, und wo sie sich überschneiden oder eben auch nicht. Das ist ein schmaler Grat, weshalb es sicher Leute geben wird, denen dieser politische Standpunkt nicht gefällt, mein Ziel war eine Haltung. Aber ich habe versucht, mittels anderer Figuren dieses Denken von richtig und falsch wieder wegzunehmen, etwa in der Figur des Rüdi, des Gegenspielers von Bröhmann. Er ist ja kein tumber Hetzer, sondern eher ein Karrierist, der versucht, die Stimmung für sich zu nutzen. Wenn ich etwa die Bürgerwehr von Rüdi zeichne, kommen natürlich auch Klischees, mit denen ich spiele, aber ich versuche sie meistens auch wieder zu brechen. Das ist immer ein Spagat, aber man kann ohnehin nicht allen gefallen. Wer der Ansicht ist, dass er die Meinung von Bröhmann blöd findet und das Buch deshalb nicht liest, soll es einfach lassen.
Die Flüchtlingskrise ist ein Thema von globalem Ausmaß, gleichzeitig sind Ihre Bücher mit Figuren wie Bröhmann und seinen Familienproblemen oder Countrysänger Manni Kreutzer und seiner Freundin Jutta dabei. Glauben Sie, dass ernste Themen zusammen mit Klamauk funktionieren?
Faber: Es gibt die Gefahr, dass sie gar nicht funktionieren. Mein Stil ist es – und ich glaube auch, dass ich das am besten kann –, eine Mischung aus Comedy, Krimi und Familienroman zu machen. Ich habe ja auch in den anderen Büchern neben dem ganzen Klamauk mit Grillsportverein und Jugendfußballturnier versucht, den Figuren wie Manni oder Bröhmann in der Familienkonstellation die ernsteren und tiefgehenderen Töne mitzugeben. Das ist das, was ich persönlich auch mag – einen Mix.
Wer das Buch nicht liest, weil er die Meinung von Bröhmann blöd findet, soll es einfach lassen
Dietrich Faber
Für die Premiere Ihrer Bühnen-Show gehen Sie zum zweiten Mal von der Kongresshalle ins Gießener Stadttheater. Wieso?
Faber: Beim letzten Mal war das aus der Not geboren, weil die Kongresshalle saniert wurde, doch dann war es im Stadttheater so schön. Das Team ist super, auch in Sachen Technik war es perfekt, dabei ist das Stadttheater ja eigentlich kein Gastspielhaus. Die Atmosphäre hat mich total begeistert. Ich hatte ursprünglich die Sorge, ich bin zu weit weg von den Leuten. Dann haben wir auf der Vorbühne gespielt und es war von der ersten Minute an so eine tolle Stimmung, es hat so viel Spaß gemacht, dass es mein großer Wunsch gewesen ist, wieder dort zu spielen.
Sie machen seit Jahren einerseits die Shows zum Buch mit Ihrer Musik, dann aber auch klassische Lesungen alleine. Was gefällt Ihnen besser?
Faber: Auch wenn es eine langweile Antwort ist, sage ich, dass beides toll ist. Aber es ist tatsächlich so. Ich liebe diesen Mix, einerseits vor 60 Leuten ganz nah alleine mit Gitarre zu spielen und andererseits die große Gesten wie im Stadttheater zu machen. Das ergänzt sich für mich sehr schön.
Lesen Sie privat auch viele Provinzkrimis?
Faber: Gar nicht. Ich habe es am Anfang gemacht, weil es mich interessiert hat, wie andere schreiben. Aber gerade wenn ich selbst am Schreiben bin, geht das überhaupt nicht. Auch derzeit, wo ich bei der Show-Vorbereitung viel auf Text schaue, fällt mir Lesen insgesamt schwer. Ich streame dann lieber Serien. Das ist für mich Entspannung. Dank Streaming gibt es mittlerweile viele niveauvolle Serien, die für mich als Autor interessant sind. Das haben die Amis einfach drauf, weil sie interessante Figuren zeichnen mit vielen Brüchen, die man trotzdem fast alle mag. Da kann ich wieder etwas lernen.
Hessen zuerst - Neues Buch von Dietrich Faber. Interview Streifzug. Foto: pm
Was läuft bei Ihnen gerade für eine Serie?
Faber: »Game of Thrones« habe ich jetzt gerade eine Staffel abgeschlossen und dann schaue ich bereits zum zweiten Mal »The Westwing«, wovon ich ein riesiger Fan bin. Die Serie spielt im Weißen Haus, ist schon etwas älter, es geht um ein Beraterteam eines fiktiven amerikanischen Präsidenten. Es ist unglaublich gut geschrieben, eine absolute Lieblingsserie in Sachen Tempo, Spannung, politischem Hintergrund – grandios!
Ist die Verfilmung von Henning Bröhmann ein Thema für Sie?
Faber: Das ist leider eher ein enttäuschendes Thema, weil wir schon relativ nah dran waren – direkt beim ersten Buch. Da wollte es gleich eine große und namhafte Produktionsfirma machen, aber es hat nicht geklappt, dass ein Sender das auch realisieren wollte. Ich könnte mir mittlerweile auch vorstellen, dass es in so ein Mini-Serien-Format passen würde, gerade für mich als Serien-Fan wäre das sehr interessant. Ich fände es schön, auch weil ich glaube, dass meine Art zu erzählen und die Dialoge, die ich drin habe, auch verfilmt gut funktionieren würden. Das werden meine Agentur und ich weiterverfolgen.
Ich streame lieber Serien. Das ist für mich Entspannung
Dietrich Faber
Was würden Sie sagen, wenn Sie Ihr Buch in zwei Sätzen vorstellen müssten?
Faber: Es ist mein reifstes Buch und es steht trotz des fünften Teils der Reihe für sich allein – und zwar wie kein anderes Buch der Reihe, mit Ausnahme vom ersten natürlich. Ich bin tatsächlich stolz auf das Buch, denn ich kann in den Spiegel schauen und sagen, dass ich dazu stehe. Ich glaube, es kann den Leuten trotz des ernsten Themas Spaß beim Lesen machen.
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