13. September 2017, 15:24 Uhr

Vortrag

Backstein – dieser Stein hat Kulturgeschichte geschrieben

Ehemaliger Mitinhaber und Techn. Leiter der Licher Tonwerke berichtete in der Stadtbibliothek über die Zeigelei und seine Arbeit.
13. September 2017, 15:24 Uhr
Professor Dr. Ing. Wolfgang Leisenberg (Bild: privat)

Professor Dr. Ing. Wolfgang Leisenberg, als Fachmann für Regelungs- und Industrietechnik allen Studierenden an den Hessischen Technischen Hochschulen bekannt, berichtete auf Einladung des Heimatkundlichen Arbeitskreises Lich e.V. in der Licher Stadtbibliothek über die Geschichte dieses Steines. Zu Beginn seiner Ausführungen ging er auf die Geschichte des Baumaterials ein. Der »gebackene Stein« stehe am Anfang der Sesshaftwerdung der Menschen und habe Kulturgeschichte geschrieben. In den nördlichen Breiten der Erde gab es für die Menschen ausreichend Holz, um sich Häuser bauen zu können; im vorderen Orient fehlte dieser Baustoff und musste durch Materialen ersetzt werden, die dort verfügbar waren … und das waren Sand, Lehm, Erde. Für das »Backen« des Steines stand nur die Sonne zur Verfügung. Diese Art von Backsteinen hatte aber den Nachteil, dass sie in feuchter Luft und bei Nässe weich wurden und sich auflösten.

Die nachweislich ersten Backsteine wurden von Archäologen in der Stadt Jericho gefunden und sollen bereits etwa 7.550 Jahre v. Chr. angefertigt worden sein. Im ältesten Teil der Bibel (Genesis) wird bereits die Zerstörung der Backsteinmauern von Jericho erwähnt. Beim Turmbau von Babel gibt es bereits die »gebackenen/gebrannten Steine« – zumindest an den Außenmauern.

Die Ägypter, die unter den gleichen klimatischen und landschaftlichen Bedingungen lebten, konnten für ihre Backsteine auf den Nilschlamm zurückgreifen. Der Weg zu den Griechen und den Römern war dann nicht mehr weit. Sie perfektionieren die Zusammensetzung der Grundstoffe dieses Steins derart, dass der Stein – man nannte ihn jetzt nach dem griechischen Wort »Tegula«, Ziegel – dauerhaft haltbar war. Dies wurde bei dem römischen Ziegelstein durch die Zugabe von Vulkanasche erreicht. Die Römer brachten diese Kenntnisse auch in die von ihnen eroberten Gebiete, wobei Mainz als Legionsstandort die Ziegel für unseren Bereich produzierte. Durch einen Stempelaufdruck sind die Ziegelsteine auch heute noch erkennbar.

Mit dem Rückzug der Römer aus Germanien verschwand auch der Ziegelstein – es wurde wieder mit Holz gebaut. Erst mit der Verbreitung der Klöster erinnerten sich die Mönche wieder an den Ziegelstein. Er fand insbesondere in den Bereichen Verwendung, in denen es wenige natürliche Steine gab (Backsteingotik in Norddeutschland).

Für die Herstellung des gebrannten Ziegelsteins gab es anfangs nur den »Feldbrandofen«, der wegen seiner schädlichen Nebenwirkungen immer außerhalb der Ortschaften betrieben werden musste. Jeder Bauunternehmer hatte seinen eigenen Feldbrandofen. Nachteile waren hierbei die mangelhafte Qualität der gebrannten Steine und die Tatsache, dass der Betrieb nur in den Sommermonaten möglich war. Dies hatte zur Folge, dass sich die Herstellung der Ziegelsteine professionalisierte. Neben einer Brauerei gehörte Ziegelei in jede Stadt.

Soweit zur Geschichte. Die von Heinrich Schmidt 8. im Jahre 1907 in Lich gebaute Ziegelei löste die städtische Ziegelei, eine kleine private Ziegelei, die Fürstliche Handstrich-Ziegelei sowie die Feldbrandöfen der Bauunternehmer ab. Der Betrieb war nach den damals modernsten technischen Gesichtspunkten erbaut worden und lieferte gute Qualitätsware. Er wurde von den Eigentümern im technischen Bereich zwar immer modernisiert, aber an eine Anpassung an die neueste Entwicklung und Mechanisierung mangelte es. Als der Technische Leiter der Ziegelei, Heinrich Schmidt 12. im Jahre 1962 starb, wurde der Betrieb eingestellt.

Der Laubacher Dipl. Ing. Manfred Leisenberg, der Vater des Referenten, hatte, zusammen mit seinen beiden Söhnen, Ideen und Ehrgeiz. Er wollte die Licher Tonwerke als Musterbetrieb aufbauen, was ihm in relativ kurzer Zeit auch gelang. Die neue Ziegelei arbeitete im sieben Tage/24 Stunden-Betrieb. Der Personaleinsatz konnte von 30 Mitarbeitern auf acht verringert werden, wobei die Produktion erheblich gesteigert wurde. Statt wöchentlicher Beschickung des Brennofens wurde nun in Stunden gerechnet. Der Produktionsvorgang lief vollautomatisiert ab. Die Beheizung der Anlage wurde von Kohle auf Schweröl umgestellt.

Die Bauweise und die Baustoffe haben sich in dieser Zeit enorm verändert. Drainageröhren, ein wichtiger Produktionsteil des Licher Unternehmens, wurden aus Kunststoff hergestellt und Hohlblocksteine ersetzten Ziegelsteine. Die Rohstoffe für die Herstellung der Tonwaren, waren im Licher Untergrund auch aufgebraucht und mussten per Lkw. aus Laubach und aus dem Westerwald herangeschafft werden. In der Baubranche entstandenen Konzerne – kleine Unternehmen hatten keine Überlebenschancen mehr und mussten den Betrieb einstellen – so auch die Licher Tonwerke im Jahre 1975.

Die Firma Leisenberg hatte durch Aufbau und Betrieb der Licher Tonwerke Erfahrungen in Bezug auf die technische Anlagensteuerung gewonnen. Während der Sohn Wolfgang Leisenberg sich der Forschung und Lehre widmete (er wurde Dipl.-Ingenieur, promovierte und unterrichtete als Professor an den Technischen Hochschulen in Hessen) machte sich das Unternehmen mit technischen Anlagen zur Aluminium-Herstellung weltweit einen Namen.

Herr Leisenberg dankte den Zuhörern für die Aufmerksamkeit und Hermann Pein dankte ihm für seinen Vortrag. Er sagte, dass er sich in Vorbereitung auf dieses Ausstellungs- und Vortragsthema auch mit der Bibel beschäftigt habe. Er habe von der Stadt Jericho und der Verwendung von gebrannten Steinen beim Turmbau von Babel gelesen. Außergewöhnlich finde er aber in diesem Zusammenhang, dass bereits in der Schöpfungsgeschichte die Verwendung von Lehm beschrieben wird. Adam, der erste Mensch wurde aus Lehm geformt ... wäre er – wie die Lehm-Backsteine der damaligen Zeit – auch »gebacken« worden, wären wir als Adam-Nachfolger sicher heute viel haltbarer.

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