. Auch im Jahr 2025 birgt der Schulweg mit dem Fahrrad - trotz aller Verkehrserziehung - noch einige Tücken. Diesen hat die Initiative »Schulen aufs Rad« in Stadt und Kreis Gießen seit 2019 den Kampf angesagt. Unter anderem die pensionierten Schulpfarrer Beate Allmenröder und Markus Ihle sowie die Lehrer Kirsten Quass und Stefan Podhorsky machen sich Gedanken darüber, wie man mehr Schüler dazu motivieren kann, ihren alltäglichen Weg mit dem Rad statt mit dem Elterntaxi zu absolvieren - und wie man diesen Weg deutlich risikofreier gestalten kann. Denn nach wie vor würden viele Schüler prinzipiell gerne ihren Schulweg mit dem Rad bestreiten, wenn er nur sicherer wäre, sind die vier überzeugt.
Aus diesem Grund planen die Initiatoren dieses Jahr die mittlerweile fünfte »Schulen aufs Rad«-Aktion. Drei Aktionswochen in der Zeit des Gießener Stadtradelns vom 25. Mai bis zum 14. Juni will die Initiative erneut unter das Zeichen von Verkehrssicherheit für junge Radfahrer stellen. Hierzu richtet sie sich in einem Aufruf zur Beteiligung an engagierte Eltern, Jugendliche und Kollegen.
Kampf den Elterntaxis
»Das Ziel unserer Gruppe ist es auf jeden Fall, uns für eine Umkehrung der verkehrten Welt einzusetzen«, erläutert Allmenröder, die lange an der Willy-Brandt-Schule tätig war. »Statt immer mehr und größeren Autos im öffentlichen Raum immer mehr Platz zu gewähren, möchten wir mehr Platz für Kinder und Jugendliche.« Ihle, der ehemals an der Theodor-Litt-Schule gearbeitet hat, fügt hinzu: »Dabei geht es auch um die Werbung fürs Radfahren und darum, Schulwege mit dem Rad nutzbarer zu machen.«
»Die Schüler sollen das Rad als Fortbewegungsmittel für sich entdecken«, ergänzt Quass, Lehrerin an der Clemens-Brentano-Europaschule in Lollar. Das sei jedoch leichter gesagt als getan. Gerade Elterntaxis würden häufig zu sehr viel Verkehr direkt vor der Schule führen, wodurch sich Schüler im Umkehrschluss noch mehr entmutigt fühlen würden, mit dem Rad zu kommen - in Teufelskreis.
Um diesen aufzubrechen, hat die Gruppe vor einigen Jahren ihre Arbeit begonnen. Ursprünglich mit dem Vorschlag, das Stadt- und Kreisradeln zusammenzulegen. »Es war neu, dass die Kommunen im Landkreis da mitgemacht haben«, konnte sich Allmenröder über die anfänglichen Erfolge freuen. Man kam unter anderem ins Gespräch mit dem Schulamt, plante im Juni 2021 erstmals eine Radtourenfahrt zwischen allen teilnehmenden Schulen in Kreis und Stadt. An jeder Station sollte es eine Pause mit Programm geben. Aus diversen organisatorischen Gründen sollte sich das Vorhaben jedoch als etwas zu ambitioniert herausstellen.
Die Bedürfnisse der Schulen seien unterschiedlich, dementsprechend brauche es auch individuelle Lösungen. »Mittlerweile hat jeder seine Aktion für sich gefunden«, meint Quass. So veranstalte etwa die Gesamtschule Busecker Tal einen »Klimatag«, erklärt Podhorsky, der dort Lehrer ist.
Im vergangenen Jahr war außerdem das Konzept der sogenannten Fahrradbusse - nach dem spanischen Vorbild auch »Bicibus« genannt - erprobt worden. Dabei fahren Schüler mit Begleitpersonen auf einer vorher festgelegten Route gemeinsam zur Schule. Dem »Bus« kann man sich jederzeit anschließen oder ihn verlassen.
Auch die Vernetzung der verschiedenen Akteure in Stadt und Kreis gehöre zu den größten bisherigen Erfolgen der Initiative.
Es braucht einen langen Atem
»Eigentlich haben wir schon eine Menge geschafft, aber wir haben noch viel mehr im Sinn«, ist Quass voller Tatendrang für die bevorstehenden Monate. Denn mit dem Sommer bricht auch die Radfahrzeit wieder an. Und es gäbe einiges, auf dass man sich dieses Jahr freuen könne. Zum einen werde auf Initiative von Stadt und Landkreis Gießen derzeit ein Schulradroutennetz für alle weiterführenden Schulen erarbeitet. Diese Pläne sollen den Hessischen Schulradroutenplaner »Besser zur Schule« (www.schuelerradrouten.de) ergänzen und allen Interessierten online zur Verfügung stehen, um sinnvolle und möglichst sichere Radrouten zu finden.
Auch das »Bicibus«-Konzept wolle man weiter ausbauen. »Ob der Bicibus im Aktionszeitraum nur an einem exemplarischen Tag, einmal pro Woche oder aber jeden Tag fährt, ist entsprechend der zur Verfügung stehenden Ressourcen für jede Schule frei zu entscheiden«, so Allmenröder. »Schön wäre es, wenn möglichst viele Schulen mindestens am deutschlandweiten Bicibus-Tag am 6. Juni teilnehmen würden«, hofft sie. Erste Vorbereitungsgespräche mit den zuständigen Stellen, darunter die Radverkehrsbeauftragte und der Erste Kreisbeigeordnete, habe es bereits gegeben. Mehr Unterstützung würden sich die Initiatoren vor allen Dingen vonseiten der Kommunen wünschen.
»Wir waren uns so sicher, dass alle gerne dazu beitragen, dass den Kindern und Jugendlichen eine klimafreundliche Fortbewegungsweise ermöglicht wird, die außerdem der körperlichen und seelischen Gesundheit dient und ihnen Selbstwirksamkeitserfahrungen beschert«, erinnert sich die pensionierte Schulpfarrerin. »Verkehrs- und Schuldezernent im Landkreis sowie das Schulamt waren auch ganz leicht zu überzeugen und unterstützen uns sehr. Aber die konkreten Umsetzungen in den Kommunen vor Ort fehlen leider meistens komplett.« Derzeit brauche die Idee einen sehr langen Atem.
Besonders wichtig ist den vier Pädagogen jedoch, dass die Verantwortung für einen sicheren Schulradweg nicht nur auf die Schüler abgewälzt wird. Natürlich sei es zentral, diese in Sachen Verkehrssicherheit hinreichend zu schulen, letztendlich seien es aber die Autofahrer, auf deren Rücksichtnahme es am meisten ankomme. »Bei Kindern und Jugendlichen klappt die Verkehrserziehung schon ganz gut, aber viele Autofahrer scheinen die Regeln nicht zu kennen«, kritisiert Allmenröder. »Viele wissen nicht, dass sie einen Überholabstand von 1,50 Metern, beziehungsweise 2 Metern bei Kindern, einhalten müssen und dass sie in Fahrradstraßen nur 30 Stundenkilometer fahren dürfen.«
Strukturelle Maßnahmen nötig
Neben mehr Aufklärung in diese Richtung wünscht sich »Schulen aufs Rad« konkrete strukturelle Maßnahmen an Gefahrenpunkten: Schulstraßen, temporäre Fahrradstraßen, autofreie Zonen vor den Schulen oder sogenannte »Pop-up-Kreisel«. Außerdem komme auch die Sicherung so mancher Brennpunkte morgens und mittags durch die Ordnungsämter infrage. Eine Maßnahme, die Schulen durch entsprechende Anfragen in die Wege leiten könnten. »Das wäre also eine wichtige Bitte von uns an die Schulen: Nehmt so bald wie möglich Kontakt mit den Ordnungsämtern auf, damit Eure Schüler sicher selbstständig fahren können«, appelliert Allmenröder. »Wo ein Wille ist, ist auch ein sicherer Schulweg!«