06. Mai 2025, 18:48 Uhr

Sauberkeit

»Verlottert« Gießens Bahnhof?

Was Gießener Pendler über den Zustand des Bahnhofs sagen - und was die Deutsche Bahn kontert.
06. Mai 2025, 18:48 Uhr
RK

. Sebastian Moos stinkt es - und zwar nicht nur im sprichwörtlichen Sinne. Aus beruflichen Gründen fährt der Bauningenieur aus Biebertal regelmäßig den Gießener Hauptbahnhof an und von dort aus weiter durch die Republik. »Der Zustand des Gießener Bahnhofs ist mittlerweile wirklich abstoßend«, kritisiert er in einer Mail an den Anzeiger. »Die Bahnsteige kleben vor Schmutz, es riecht nach Urin, überall kleben Kaugummis«, zählt er auf. »Es ist so, als ob da noch nie jemand gereinigt hätte. Wo man hinsieht, ein verlotterter Zustand.«

»Grünes, hässliches Ungetüm«

Die Fußgängerüberführung über den Gleisanlagen, die in den 1990er Jahren errichtet wurde, um kürzere Wege vom Parkhaus an der Lahn-Seite zu den Bahnsteigen sowie den Bussen des städtischen Nahverkehrs zu ermöglichen, bezeichnet er als »grünes, hässliches Ungetüm«. »Da bröckelt überall der Beton ab. Ich glaube nicht, dass da was zusammenbricht, aber man sieht, dass das Provisorium offensichtlich zum Dauerzustand geworden ist«, bedauert er.

Der Zustand am Gießener Bahnhof sei längst kein Einzelfall. »Man muss da sehr hartgesotten sein. Das sehen Sie überall, selbst am Berliner Hauptbahnhof, der ja eigentlich ein Paradebahnhof in Deutschland sein sollte, ist alles schmutzig«, beobachtet der Pendler nicht ohne Ekel.

Ein Besuch am Gießener Bahnhof offenbart ein etwas differenzierteres Bild. Vereinzelt liegen Zigarettenstummel auf dem von plattgetretenen Kaugummis übersäten Boden, die aber nicht mehr kleben. Der Duft von Kaffee, Brötchen und Nikotin liegt in der Luft. Hier und da werden leere Bäckertüten wie Steppenläufer in Western-Filmen über die Bahnsteige und durch den Fußgängertunnel geweht, durch die an diesem Morgen viele Bahnreisende unterwegs sind.

»Ich finde den Gießener Bahnhof nicht sonderlich verschmutzt. Der Zustand ist in Ordnung«, meint dagegen ein 61-jähriger Berufspendler, der seinen Koffer über das Wartegleis schiebt. Auch die anderen Bahnhöfe, durch die er auf seinen regelmäßigen Fahrten nach Rostock komme, machten »einen zufriedenstellenden Eindruck«. »In der Innenstadt in der Walltorstraße im ’Dönerdreieck’ sieht das anders aus«, kritisiert er.

Aufzüge »dreckig und stinkig«

»Am Bahnhof an sich habe ich nichts auszusetzen«, sagt derweil eine 80-jährige Rentnerin. Aber: »Die Aufzüge sind katastrophal, weil die total dreckig und stinkig sind.«

»Sauberkeit und Gerüche sind weniger das Problem, eher die Pünktlichkeit von Zügen«, gibt ein 22-jähriger Student an, der regelmäßig von Gießen nach Friedberg pendelt und es eilig hat, seinen Zug zu erwischen. »Aber das hängt ja nicht am Bahnhof.«

»Die pauschale Aussage, dass es im Bahnhof Gießen überall klebt und stinkt, können wir nicht bestätigen«, weist eine Bahnsprecherin die Schmuddelvorwürfe entschieden zurück. »Unsere Reinigungsmitarbeitenden sind täglich in der Station anwesend und aktiv. Für die Fahrgäste unangenehme Verschmutzungen (etwa klebrige und/oder verschüttete Getränke-/Essensreste) werden jeweils zeitnah entfernt. Auch beim Thema Gestank durch nicht erlaubtes Urinieren im Bahnhof sind unsere Kolleginnen und Kollegen aktiv, sobald sie eine Verunreinigung feststellen«, schreibt sie auf Anfrage in einer E-Mail.

Darüber hinaus werden die Bahnsteige täglich gesäubert und die Aschenbecher und Abfallbehälter geleert und gereinigt. »Außerdem reinigen die Servicekräfte die Empfangshalle täglich nass mit der Maschine. Darüber hinaus wird der Bahnhof Gießen im Bereich der Bahnsteige, Treppen und der Unterführung einmal in der Woche mit dem Hochdruckreiniger nass gereinigt. Der Wartebereich in der Bahnhofshalle inklusive Glastrennwand ebenfalls.« Die Reinigungen werden jeweils nachkontrolliert und festgestellte Mängel direkt vor Ort besprochen und behoben, beteuert sie.

Ihren Anspruch auf Sauberkeit lässt sich die Bahn etwas kosten. Über 100 Millionen Euro will sie in diesem Jahr für mehr Sauberkeit an deutschen Bahnhöfen ausgeben, wie die Bahn bekannt gibt.

Bahn führt Frühjahrsputz durch

On top kommen noch einmal sechs Millionen Euro für einen »Frühjahrsputz«, der in diesen Wochen an vom Bahnhofsmanagement ausgewählten hessischen Bahnhöfen stattfindet. Dabei liegt der Fokus vor allem auf kleineren Stationen, die, anders als in Gießen, nicht täglich gereinigt werden, wie zum Beispiel Herborn oder Stadtallendorf. »Putzprofis der DB Services« reinigen dort Bahnsteige, Treppen, Tunnel, Aufzugsschächte, Glasflächen, Bedienflächen an Automaten und Aufzügen, Mobiliar und Vitrinen.

Neben der regelmäßigen Reinigung könne insbesondere auch »durch den pfleglichen Umgang aller Reisenden und Besucher mit den Stationen gemeinsam der Aufenthalt im öffentlichen Raum verbessert werden«, mahnt die Bahnsprecherin. Für die Bahn-Mitarbeitenden sei es auch keine leichte oder angenehme Aufgabe, immer wieder körperliche Hinterlassenschaften von Personen zu beseitigen, die nicht die vorgesehenen Orte nutzen. »Wir würden uns daher unabhängig von den regelmäßigen Reinigungen über einen achtsameren Umgang mit öffentlichen Anlagen wie dem Bahnhof freuen«, appelliert sie.



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