Kann ein Fluss Interessen äußern? Und wenn ja, was hätte er uns zu sagen? Mit der Eröffnung des Kunst- und Forschungsprojekts »Lahn River Avatar« stellt das »Panel on Planetary Thinking« der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) genau diese Fragen. Danilo Olivaz, Brasilien, und Ingvild Syntropia, Norwegen, - Stipendiat und Stipendiatin im vom Panel koordinierten »Planetary Scholars & Artists in Residence Program« - verleihen der Lahn eine Stimme, die Menschen verstehen können. Sie wollen mit ihrem Projekt eine Grundlage dafür schaffen, dass das Ökosystem ins politische Geschehen der Stadt Gießen eingebunden wird.
Die Projektgruppe des »Panel on Planetary Thinking« lädt alle Interessierten für Dienstag, 24. Juni, von 13 Uhr bis 15 Uhr zur feierlichen Eröffnung des Avatars ins Lahnfenster Hessen (Bootshausstraße 8) ein. Das Programm umfasst eine Fluss-Meditation, eine Projekt-Einführung durch die Künstlerin und den Künstler sowie interaktive Gespräche mit dem Avatar. Der Eintritt ist frei, Snacks und Getränke stehen bereit. Das Projekt gehört zu den ersten seiner Art in Europa: Mittels in Echtzeit vermittelten Umweltdaten - wie Wassertemperatur, PH-Wert, elektrischer Leitfähigkeit - und Wissen über die Lahn entsteht mithilfe von künstlicher Intelligenz ein digitaler Avatar, der die Interessen des Flusses artikuliert. Verkörpert wird der Avatar durch eine interaktive Skulptur - gefertigt mit Unterstützung des MAGIE-Makerspace Gießen. Auf diese Weise wird es möglich sein, Einzelgespräche und Gruppendiskussionen mit dem »Lahn River Avatar« zu führen.
Sensibilisieren
Das Projekt dient dazu, ökologische Systeme als aktive Akteure planetarer Politik sicht- und hörbar zu machen und experimentell mit einem solchen Akteur in den Austausch zu treten. Inspiriert von Konzepten indigener Rechtsprechung und Debatten um ökologische Gerechtigkeit, soll der Lahn River Avatar nicht nur sensibilisieren, sondern zu einem Umdenken anregen: Welche Rolle dürfen und müssen nicht-menschliche Akteure in politischen Prozessen einnehmen? Was bedeutet es, einem Fluss zuzuhören und dessen Interessen ernst zu nehmen - sowohl auf persönlicher als auch auf stadtpolitischer Ebene? Diese Fragen stehen im Zentrum des aktuellen Jahrgangs im internationalen Stipendienprogramm »Planetary Scholars & Artists in Residence Program«. Im Rahmen dieses auf vier Jahre angelegten Programms erforschen Wissenschaftler sowie Künstler seit 2022 gemeinsam die Beziehungen zwischen Gesellschaft und Planet.
Das »Panel on Planetary Thinking« verfolgt das Ziel, über disziplinäre Grenzen hinweg Impulse für ein grundlegende Umgestaltung dieser Beziehungen in Gesellschaft und Forschung zu setzen. »Mit dem Lahn River Avatar verbinden die beiden Stipendiatinnen beziehungsweise Stipendiaten Kunst, Technologie und Ökologie auf eine anschauliche Weise«, sagt Liza B. Bauer, wissenschaftliche Geschäftsführerin des Panels. »Die Eröffnung richtet sich an alle, die erleben möchten, was es heißt, ein Ökosystem nicht als Ressource, sondern als Partner anzuerkennen.«
Das Projekt mache sichtbar, was planetares Denken leisten kann, ergänzt Prof. Frederic Hanusch, wissenschaftlicher Direktor des Panels und Professor für Planetaren Wandel und Politik am Fachbereich 09: »Das Kunst- und Forschungsprojekt verschiebt Perspektiven, irritiert eingefahrene Kategorien und eröffnet Spielräume, um eine Koexistenz mit dem Planeten zu erproben - nicht nur symbolisch, sondern potenziell mit politischer Tragweite.«
Der Lahn River Avatar soll dauerhaft am Lahnfenster Hessen positioniert werden, sodass er jederzeit für Lehr- und Forschungszwecke genutzt werden kann und die Lahn »als aktiver Mitgestalter des Gießener Stadtgeschehens« hörbar bleibt.