/Berlin . Am Dienstagmittag überschlagen sich die Nachrichten. Denn für viele unerwartet, ist Friedrich Merz von der CDU im ersten Wahlgang zum neuen Bundeskanzler gescheitert. Um 16.17 Uhr dann die Nachricht: Merz ist im zweiten Wahlgang zum Kanzler gewählt. »Entscheidend ist, dass wir jetzt eine Regierung haben und loslegen können«, sagt Bundestagsabgeordneter Frederik Bouffier von der CDU auf Anfrage. Außen- und innenpolitisch müsse man zwingend ins Handeln kommen, betont der Gießener.
Schon nach dem ersten Wahlgang habe es in der Fraktionssitzung stehende Ovationen für Friedrich Merz gegeben, berichtet Bouffier. In der Unionsfraktion herrsche große Geschlossenheit, und »wir alle sind uns der Verantwortung für unser Land bewusst«, so der Abgeordnete.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt
Ganz ähnlich argumentiert die SPD-Landtagsabgeordnete Nina Heidt-Sommer: »Die Bundesländer und Kommunen brauchen einen handlungsfähigen Staat, denn dieser ist Voraussetzung für gesellschaftlichen Zusammenhalt.« Landtagskollegin Michelle Kraft von der CDU zeigt sich bereits zwischen den Wahlgängen optimistisch, dass alle aus CDU und SPD ihrer Verantwortung für Deutschland letztlich gerecht würden.
»Ich halte Friedrich Merz als Bundeskanzler für ungeeignet. Zu unerfahren, zu hitzköpfig, zu sehr von seinen Launen und spontanen Stimmungen getrieben. Auf internationalem Parkett darf sich Merz nicht, wie zuletzt, wie der Elefant im Porzellanladen verhalten. Er hat sich schon viele Aussetzer geleistet. Sie alle aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen«, führt dagegen der heimische SPD-Bundestagsabgeordnete Felix Döring aus. Vor allem aber »kann und werde ich ihm nicht verzeihen, dass er eine Mehrheit mit Rechtsextremen im Deutschen Bundestag gesucht hat«, macht Döring deutlich. Trotzdem habe er Merz in beiden Wahlgängen seine Stimme gegeben, nicht aus Überzeugung, sondern aus Verantwortung.
»Er war nunmal der Kanzlerkandidat der Partei, mit der wir einen Koalitionsvertrag ausgehandelt haben. Ich wünsche Friedrich Merz ein gutes Händchen für seine Arbeit - im Interesse von uns allen. Und ich hoffe, dass ich mich mit meiner Einschätzung ihm gegenüber irre«, resümiert der Sozialdemokrat.
»Diese Wahl ist historisch - aber nicht im positiven Sinn«, erklärt Desiree Becker, Landesvorsitzende der Partei Die Linke Hessen und Bundestagsabgeordnete aus Gießen, in einer Mitteilung. Wenn Friedrich Merz und Lars Klingbeil noch nicht mal im ersten Wahlgang das Vertrauen von ihren eigenen Leuten in der »Berliner Blase« bekämen, »wie sollen sie dann das Vertrauen der Menschen gewinnen, die mit den realen Problemen des Alltags kämpfen? Gerade Friedrich Merz gelingt es nicht, zu verbinden, sondern nur zu spalten. Mit ihm als Kanzler droht eine weitere Ära der Hoffnungslosigkeit«, erklärt sie. Diese Wahl markiere den Beginn einer Regierung, die den Sozialstaat demontieren, die Rechte von Frauen, Queers und Migranten einschränken und den Schulterschluss mit Rechten zur Normalität machen wolle. Man werde eine starke linke Opposition sein.