. In der jüngsten Sitzung des Gießener Ausschusses für Soziales, Wohnen und Integration ging es einmal mehr um die Personallage in den städtischen Kindertagesstätten. Jugendamtsleiterin Vanessa Jane van Harsselaar und die Abteilungsleiterin der Kindertagesbetreuung, Olga Büber-Fast, betonten, dass trotz der erfolgreichen Einführung von Notfallplänen die Lage angespannt sei. »Der Druck im System ist wirklich sehr hoch«, war van Harsselaars Fazit. Die Notfallpläne müssten regelmäßig aufgerufen werden. Jeden Monat führe fehlendes Personal zu verkürzten Öffnungszeiten und zur Schließung ganzer Kita-Gruppen.
Sieben befristete Stellen konnten trotz regelmäßiger Stellenausschreibungen bislang nicht besetzt werden. »Die fehlen immer«. Dazu kämen viele krankheitsbedingte Ausfälle. Der Krankheitsstand sei auch nach dem Ende der Pandemie immer noch auf einem höheren Stand als vor Corona. Entspannungsübungen und der Einsatz von Rücken-scouts würden daher zur Prävention eingesetzt. Gerade Rückengesundheit sei in Kindertagesstätten unheimlich wichtig, entgegnete Büber-Fast einer skeptischen Zwischenfrage von Dr. Klaus Dieter Greilich (FDP). Gut angenommen würde das neue Frühstücksangebot der städtischen Kitas. »Für zwölf Euro im Monat bekommen sie ein Frühstück, dann müssen die Eltern das nicht mehr machen«, so van Harsselaar.
Eine längere Diskussion entspann sich mit dem FDP-Vertreter über den seit Jahren unbesetzten Posten des Stadtelternbeiratsvorsitzenden. Immer wieder betonten die beiden Jugendamtsmitarbeiterinnen, dass es nach wie vor einen Stadtelternbeirat gebe, der auch gut arbeite. »Heute wird mit flacheren Hierarchien kommuniziert.«
Noch keinen Träger gibt es für die neue Kita im Seltersweg, erklärte Stadträtin Gerda Weigel-Greilich. Diese sei bislang ein Ausweichquartier für die derzeit renovierten Kitas, die ansonsten geschlossen werden müssten.
Attraktiver Wohnort
Eine aus seiner Sicht positive Bilanz des sozialen Wohnungsbaus in der Stadt zog anschließend Stadtrat Francesco Arman. Gießen sei ein attraktiver Wohnort mit einem vernünftigen Mietniveau und einer sehr niedrigen Durchschnittsmiete. Die Lage auf dem Wohnungsmarkt sei bei uns längst noch nicht so angespannt wie in Frankfurt. Das sei ein Verdienst des sozialen Wohnungsbaus, der in Gießen von vielen Gruppen wie der Wohnbau, der GSW, der Heinrich-Cloos-Stiftung oder der Baugenossenschaft 1894 getragen werde. 274 Sozialwohnungen würden in den kommenden beiden Jahren geplant oder gebaut. Zum Neubau käme zudem noch der Ankauf von Belegungsbindungen. Das sei umso wichtiger, da private Investoren derzeit fast gar nichts bauten.
In Gießen gebe es derzeit 2000 Sozialwohnungen, weitere 8000 hätten ein vernünftiges Mietniveau, so der Stadtrat. Bei einem Wohnbestand von 35000 sei das ein gutes Viertel des Angebots in diesem Segment.
Arman gab aber auch zu bedenken, dass Gießen aus der jetzigen Perspektive endlich sei. »Die Stadt ist schon sehr voll und weitere Flächen haben wir nicht.« Deshalb strebe man eine behutsame Nachverdichtung an, ohne allzu viele Grünflächen zu versiegeln. Um die Stadt sowohl städtebaulich weiterzuentwickeln als auch sozial zu stabilisieren, will Arman künftig inklusives und altersgerechtes Wohnen stärker in den Blick nehmen.
Mit der einmütigen Zustimmung des gesamten Ausschusses nahm dann die Aufnahme der Nördlichen Innenstadt in das hessische Städtebauförderprogramm »Sozialer Zusammenhalt« eine weitere Hürde. In das Förderprogramm wurde die nördliche Innenstadt bereits im November 2024 aufgenommen, allerdings mit der Auflage, ein integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept zu erstellen. Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher betonte, der zu fördernde Stadtteil habe einen hohen migrantischen Bevölkerungsanteil. 19 Prozent der 3600 dort lebenden Menschen bezögen Bürgergeld. Aus der Beschlussvorlage geht zudem hervor, dass der Anteil von Kindern und Jugendlichen in Bedarfsgemeinschaften - ein Indikator für Kinderarmut - bei 44 Prozent liege und damit deutlich über dem Gießener Durchschnitt von 26 Prozent. Städtebaulich zeichne sich die »Nördliche Innenstadt« durch fehlende oder unattraktive Begrünung und fehlende öffentliche attraktive Treffpunkte aus. Zudem sei das Quartier durch die stark befahrene Nordanlage praktisch in zwei Hälften geteilt.
Mit der Erstellung des Entwicklungskonzepts soll nun der Weg zu einer städtebaulichen Aufwertung des Quartiers gemacht und perspektivisch die Lebensqualität der Bewohner verbessert werden.
Frank Schuchard (Gigg+Volt) erkundigte sich dann nach der aktuellen Lage bei der Arbeiterwohlfahrt nach der jüngsten Cyberattacke. Zwar seien die Rechner immer noch lahmgelegt, antwortete van Harsselaar, glücklicherweise seien bei der Awo aber immer noch viele Akten analog, deshalb gebe es für die allgemeine Arbeit kaum Einschränkungen.