. Wieseck liegt zwischen zwei Flüssen, der kleineren Wieseck und der um einiges größeren Lahn, und macht 17 Prozent des Gießener Stadtgebietes aus. Mit über 10 000 Einwohnern ist »Wissich« der größte Gießener Stadtteil. 775 wurde es im Lorscher Codex (Codex Laureshamensis) anlässlich einer Schenkung an das Kloster Lorsch als »Wisichheim« erstmals urkundlich erwähnt.
Die Übersetzung der Urkunde aus dem Jahr 775 lautet wie folgt: »In Christi Namen, am 6. Tag vor den Iden des Juli (10. Juli) im 7. Jahr der Regierung des Königs Karl (später Kaiser Karl der Große) Rachhild in Dorheim (775). Ich, Rechhild, schenke zu meinem Seelenheil dem heiligen Märtyrer Nazarius Güter. Der Leib des Heiligen ruht im Oberrheingau im Kloster Lorsch. Und das übergebene Geschenk gilt in gleicher Weise jenen Knechten Gottes, die eben dort Gott dienen, wo der ehrwürdige Gundeland Abt ist. Ich will, dass meine Gabe für ewig sei, und ich bestätige, dass sie freiwillig geboten wurde.
Ich schenke im Gau Wetter-eiba in Dorichheimer Marca alles, was ich habe an Hofreiten, Feldern, Wiesen, Wäldern und Gewässern. In ähnlicher Weise übergebe ich auf ewig zum Besitz in Logenbach im Gau Logenehe, in Wisichheim und in Ursenheim Güter und 10 Leibeigene, so dass von diesem Tage an die Mönche das Recht haben diese Güter zu behalten, zu verschenken, zu tauschen oder damit zu machen, was sie wollen. Sie haben in allen Belangen freie und unbeschränkte Vollmacht, gestützt auf diese vertragliche Übereinkunft. Geschehen im Lorscher Kloster. Zeit wie oben«.
Sie ist aufbewahrt im Bayrischen Hauptstaatsarchiv München, Bestand Mainz Lit. 19, 174.
Wieseck feiert aus diesem Grund in diesem Jahr seinen 1250. Geburtstag und die Vereinsgemeinschaft Wieseck als Ausrichter lädt dazu alle Bewohnerinnen und Bewohner sowie Gäste aus nah und fern zur Eröffnungsveranstaltung ein. Der Auftakt zu den Feierlichkeiten, die verteilt sind auf die kommenden Wochen und Monate, ist heute und beginnt um 19 Uhr im Bürgerhaus Wieseck. Einlass ist bereits um 18.30 Uhr. Reden wird an diesem Abend natürlich auch der Schirmherr der 1250-Jahrfeier, Dr. h. c. Volker Bouffier, ehemaliger Hessischer Ministerpräsident. Im Anschluss an die offiziellen Reden und Programmpunkte wird zu einem gemütlichen Beisammensein eingeladen. Für das leibliche Wohl ist bestens gesorgt.
Große Feier auch vor 25 Jahren
Die »Poart« ist das Wahrzeichen von Wieseck und einzig erhaltener Teil einer ehemaligen Befestigungsanlage, die 1458 erstmals urkundlich erwähnt wurde. Eine Kirche von Wieseck wurde erstmals 788 urkundlich erlebt. 1646 tobte ein Großbrand in Wieseck, nur drei Wohnhäuser blieben unversehrt. Georg Büchner schrieb 1833/34 auf der Badenburg, die zur Gemarkung des Stadtteils zählt, wichtige Teile des Landbotens.
Groß gefeiert wurde der 1200. Geburtstag vor 50 Jahren. Der 10. Juli 1975 war der Jubiläumstag. Ein Gedenkstein, den der Gießener Oberbürgermeister Bernd Schneider damals enthüllte, erinnert an das Datum. Die Festtage fanden vom 8. bis 12. August statt. Ein tolles Geburtstagsgeschenk begleitete das Fest: Die Wiesecker erhielten ein »Kommunikationszentrum«, der Spatenstich für das Bürgerhaus Wieseck erfolgte im Rahmen des Jubiläums. Oberbürgermeister Schneider steuerte dazu den Bagger.
Es war damals unheimlich heiß beim historischen Festzug, wie jetzt das Festbuch zum 1250. Jubiläum berichtet. Schattige Plätze und Sonnenschirme waren sehr gefragt. Bevor er losging, rückte ein Sprengwagen der Stadt an und bewässerte die Straßen zwecks Abkühlung.
Wieseck kann auf eine lebhafte Vergangenheit zurückblicken, viele Ortsvereine bereichern das Gemeinschaftsleben. Eine Auflistung im Festbuch listet alleine 37 Burschen- und Mädchenschaften auf, die älteste wurde 1895 gegründet.
Wieseck, so heißt es aus Überlieferungen, sei schon zu Zeiten des Kaiserreichs politisch als »rote Hochburg« bezeichnet worden. Aber auch nach dem Zweiten Weltkrieg war Wieseck eine Hochburg der Arbeiterpartien. SPD und KPD erreichten zusammen meist 80 Prozent der Wählerstimmen. Der erste Ortsvorsteher des Stadtteils, Sozialdemokrat Rudi Seibert, wurde am 6. November 1979 gewählt. Derzeit ist Michael Oswald (CDU) Vorsitzender des Ortsbeirats, die Christdemokraten haben seit der vergangenen Kommunalwahl 2021 die Mehrheit in der Bürgervertretung. Der Ortsvorsteher sagt mit Blick auf die 1200-Jahrfeier, wo in »Wissich« ordentlich gefeiert worden war, das einst dörfliche Wieseck habe sich zu einem lebendigen und farbenfrohen Stadtteil mit mehr als 10 000 Einwohnern - und damit zum größten Stadtteil in Gießen - entwickelt. Für Oswald ist es natürlich der schönste zugleich.
Viele Vereine machen mit
»Unser Wieseck lebt auch durch die Vielzahl der Vereine«. Ihnen und der Federführung der Vereinsgemeinschaft Wieseck e. V. sei es zu verdanken, dass mit abwechslungsreichen Veranstaltungen für alle Einwohner und Gäste aus nah und fern ein vielfältiges Jubiläumsprogramm geboten wird.
Weiter geht die Festfolge am 25. Mai 2025 mit einem Spaziergang durch die Gemarkung, bei dem die Geschichte von Wieseck vermittelt wird.