07. März 2018, 12:41 Uhr

Friedberg im Jahr 1848

Vortrag beleuchtet den (vergeblichen) Kampf um die Demokratie

Auch in Friedberg hat die 1848er-Revolution Spuren hinterlassen. Hans-Helmut Hoss wird am 15. März beim Geschichtsverein darüber berichten. Die WZ sprach mit ihm über seine Recherchen.
07. März 2018, 12:41 Uhr
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Von Jürgen Wagner
Die zeitgenössische Karikatur von 1848 soll die Friedberger Bürgerwehr zeigen, die keinen besonders »wehrfähigen« Eindruck macht. Zumindest sah sie im Juni 1848 tatenlos zu, als das Haus einer jüdischen Familie verwüstet wurde. (Foto: Stadtarchiv Friedberg)

Herr Hoss, am 27. September 1848 lässt der Bürgerverein zu Friedberg im »Intelligenzblatt für die Provinz Oberhessen« ein »Sendschreiben« abdrucken. Gewaltbereite Revolutionäre werden als »arbeitsscheue Phantasten« bezeichnet, gleichzeitig ergeht der Aufruf an alle Bürger, sie sollten »den lebhaftesten Antheil an allen öffentlichen Angelegenheiten nehmen«. Was denken Sie, wenn sie so etwas lesen?

Hans-Helmut Hoos : Genau diese Diffamierung von Demokraten, die teilweise für eine Republik eintreten, als »gewaltbereite Revolutionäre« ist ein Narrativ, das nach der Spaltung der demokratischen Bewegung in Friedberg die Diskussion vergiftet und seine Spuren in den nächsten drei Generationen (und nicht nur in der Kleinstadt Friedberg) hinterlassen wird.

Ihr Vortrag trägt den Titel »Die Freiheit des deutschen Volkes war ein schöner Traum«. Ist außer diesem Traum nichts geblieben?

Hoos: Es sind geblieben: Die Sehnsucht nach einem – starken – Nationalstaat bis 1933, es sind auch und vor allem geblieben die ersten Grundlagen – etwa Menschen- und Bürgerrechte – für eine Verfassung. Diese wurde in der Weimarer Verfassung und in unserem Grundgesetz wieder aufgegriffen. Das ist also schon geblieben, auch wenn diese Rechte erst 1918 und dann 1948 drei bis vier Generationen später realisiert wurden. Manch anderes kommt noch hinzu, was die Kommunalverwaltung und den Umgang mit den Bürgern seitens der »Obrigkeit« betrifft.

1848 galt für einige Monate Pressefreiheit, allerdings bildet die damalige Presseberichterstattung nicht oder nur sehr unzureichend die gesellschaftlichen Verhältnisse ab. Wie sind Sie bei Ihren Recherchen vorgegangen?

Hoss: Diese Annahme teile ich keineswegs. Allerdings gilt es in teilweise mühsamer Detailarbeit, die »Knochen vom Fleisch« zu trennen. Gerade die Lektüre und Analyse der Zeitungen geben ganz wesentliche Hinweise, weniger auf die konkreten Ereignisse. Diese sind in den Chroniken von Friedberg bei Christian Waas, in Berichten von Zeitzeugen und in der Sekundärliteratur nachzulesen. Die Zeitungen geben aber Hinweise auf die politischen Standpunkte, die Strategien und die leserbezogene »Agitation« im Sinne der eigenen politischen Überzeugung. Aus Zeitmangel habe ich bislang leider nur einen Teil der relevanten Zeitungen ausgewertet, vor allem aber die beiden in Friedberg erscheinenden Zeitungen, das »Intelligenzblatt« (wenig ergiebig) und die »Wetterauer Volkszeitung«, die sehr aufschlussreich ist. In der geplanten wohl umfangreicheren Publikation zu diesem Thema werden noch andere Zeitungen hinzukommen müssen.

Gab es Überraschungen, die sie so nicht erwartet hätten?

Hoss: Ja, die gab es. Etwa die Vehemenz der Auseinandersetzungen, das teilweise ins Leere laufende Agieren der Demokraten in Friedberg, die schichtenspezifische Zusammensetzung der politischen Gruppierungen, die Rezeptionsgeschichte der Revolution in Friedberg, die teilweise diametral unterschiedliche Wahrnehmung der Ereignisse im Umfeld, bis hin zur Nichtkenntnisnahme.

Was lernen wir heute aus den damaligen Ereignissen?

Hoos: Das sollte sich jeder selbst beantworten, der vielleicht am 15. März zu meinem Vortrag in den Klosterbau kommt. Aber doch vielleicht ein Gedanke dazu: Geschichtliche Prozesse spielen im kollektiven Erinnerungsvermögen und im Bewusstsein – das Scheitern einer demokratischen Revolution, die Diffamierung der »Revolutionäre« – eine über Generationen andauernde Rolle, im Positiven wie im Negativen und sind eng mit dem eigenen politisch-gesellschaftlichen Bewusstsein verbunden.

Der Vortrag »Die Freiheit des deutschen Volkes war ein schöner Traum – Vor 170 Jahren: Friedberg 1848/49« von Hans-Helmut Hoos beginnt am Donnerstag, 15. März, um 20 Uhr im Bibliothekszentrum Klosterbau in Friedberg (Augustinergasse 8). Der Eintritt ist frei. Im Anschluss an den Vortrag findet die Jahreshauptversammlung des Geschichtsvereins Friedberg statt.



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