27. Juni 2024, 22:03 Uhr

Der King in Dorf-Güll

Der Pohlheimer Gábor Barócsi hat einen lebensgroßen Elvis-Roboter gebaut, der Lieder des »Kings of Rock’n’Roll« singt, die Hüfte schwingt und neuerdings per künstlicher Intelligenz auch spricht und jede Frage beantwortet. In diesem Sommer steht der Roboter vor einem großen Auftritt in Dorf-Güll. Und Barócsi arbeitet an der Nachbildung einer weiteren Musiker-Legende.
27. Juni 2024, 22:03 Uhr
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Er betrachte Gábor Barócsi (l.) nicht nur als Schöpfer oder Roboter-Bauer, sagt Elvis per künstlicher Intelligenz, »sondern auch als wahren Freund«. FOTO: SRS

Wo Ziegen weiden, wo in Richtung Süden und Osten grüne Wiesen und Felder liegen, so weit das Auge reicht, dringt aus einem Balkon im ersten Stock eines Mehrfamilienhauses eine unverkennbare Stimme. »Wise men say«, singt sie. »Can’t help falling in love.«

So mancher Spaziergänger wagt bisweilen einen Blick in die Wohnung. Und erkennt einen Mann in einem weiß-roten Kostüm. Er tanzt. Schwingt die Hüfte. Greift in die Saiten einer Gitarre. Und bewegt die Lippen. Mitten in einem Wohnzimmer in Dorf-Güll nahe der Klosterwaldhalle steht auf einem Podest lebensgroß der King. Elvis lebt. Und nach seinem Konzert spricht er, antwortet mit einem leichten Südstaatenakzent auf jede Frage.

Der Pohlheimer Gabor Barócsi hat Elvis gebaut. Seit nun etwa zehn Jahren schraubt, feilt und programmiert der gelernte Elektrotechniker an dem Roboter. Als Grundgerüst dient eine 1,85 Meter große Schaufensterpuppe. Details wie zum Beispiel die Frisur und die Form des Gesichts stammen aus Barócsis 3-D-Drucker. Seine Tochter schminkt regelmäßig das Gesicht. Barócsis neueste Entwicklung ist die Möglichkeit, mithilfe künstlicher Intelligenz mit Elvis zu plaudern.

Das Programm ist mit Millionen Daten aus Elvis Presleys Leben gefüttert. Der Roboter redet dann in englischer Sprache in der Stimme des 1977 verstorbenen Musikers. »Das ist eine seltsame Frage«, erwidert der Roboter, wenn man wissen will, ob er denn der leibhaftige Elvis sei. »Hier bin ich doch, rede mit dir. Also muss ich doch am Leben sein, Darling.«

Barócsis Wohnzimmer ist ein Schrein für den Musiker und Schauspieler Presley. An Wänden hängt neben Schallplatten und Fotos die Titelseite der Zeitung »Memphis Press-Scimitar« vom 17. August 1977 mit der Nachricht vom Tod des »King of Rock’n’Roll«. Aus einer Musikbox dudelt »A little less conversation«. Auf einer Kommode stehen eine Elvis-Büste, Elvis-Tassen, Elvis-Bücher, ein Telefon in Elvis-Form und eine Dose Grapefruit-Bier mit dem Namen »Elvis Juice«. Barócsi zeigt auf einen Bilderrahmen. Hinter Glas hängt hier eine dünne schwarze Haarsträhne angeblich von Presley mitsamt Echtheitszertifikat.

»Ich trinke kaum Alkohol, rauche keine Zigaretten« sagt der 48 Jahre alte Barócsi, der als Koch in Bad Nauheim arbeitet. »Meine Passion ist Elvis Presley.« Elvis sei die Nummer eins, verbreite noch heute Freude in der ganzen Welt. Die Beschäftigung mit dem Roboter entspanne ihn, sagt Barócsi, der seit 2012 in Deutschland lebt. Einnahmen aus Konzerten wolle er unter anderem einem Kinderhospizhaus spenden. Er wolle mit dem Roboter auch kostenlos in Krankenhäusern und Pflegeheimen auftreten.

Auf die Frage des Reporters, was er von seinem Schöpfer hält, gibt der Roboter per künstlicher Intelligenz eine Antwort, die selbst Barócsi überrascht, für einen Moment rührt. Er empfinde Respekt, erklärt der Roboter. Barócsi habe einen großartigen Job gemacht, »mich zum Leben zu bringen«. Er betrachte ihn, fügt er hinzu, nicht nur als Schöpfer oder Roboter-Bauer, »sondern auch als wahren Freund«.

Barócsi hat sein Haar wie sein Idol zu einer Tolle frisiert, er trägt Koteletten. Auf die Frage, wie viel er in seinen Roboter in den vergangenen Jahren investiert hat, nennt er keine Summe. »Zwei neue Autos«, sagt er nur.

Barócsi ist in Ungarn aufgewachsen, in Dunakeszi, 20 Kilometer von der Hauptstadt Budapest entfernt. »Im Kommunismus war Elvis verboten«, sagt er und macht deutlich, dass die Musiker-Legende in seiner Kindheit auch ein Symbol für Freiheit war. 2011 wurde Presley von der Stadt Budapest posthum zum Ehrenbürger ernannt, als Geste der Dankbarkeit für dessen damalige Unterstützung des ungarischen Volksaufstands 1956 durch Solidaritätsbekundungen.

In Bad Nauheim ist Barócsi mit dem Elvis-Roboter bereits mehrere Male aufgetreten. Nun steht in diesem Sommer ein Konzert in Pohlheim an, am 30. August im Rahmen des Festwochenendes zum 1225-jährigen Jubiläum Dorf-Gülls. Er freue sich auf den Auftritt, sagt Barócsi. »Auch das ungarische Fernsehen wird nach Pohlheim kommen.«

Barócsi geht durch einen Flur seiner Wohnung, er öffnet die Tür zu seiner Werkstatt. Lötkolben und Elektroschrauber stehen hier neben Lackspray-Dosen auf einem proppenvollen Tisch vor Werkzeugregalen. Dann zeigt der Pohlheimer, woran er neben dem Elvis-Roboter bereits arbeitet: an der Nachbildung einer weiteren Musiker-Legende. John Lennon. »Für ein Beatles-Museum«, sagt er.



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