Herr Zimmer, am 1. Mai sind Sie nicht nur 25 Jahre im öffentlichen Dienst, sondern auch ein Jahr Bürgermeister der Rabenau. War es die richtige Entscheidung, für dieses Amt zu kandidieren?
Es war definitiv die richtige Entscheidung. Dieser Job macht mir unglaublich viel Spaß. Wir haben bei den Gemeindemitarbeitern lauter gute Frauen und Männer, die Zusammenarbeit läuft da ebenso wie mit den politischen Gremien und den Ortsbeiräten sehr gut.
Die Aufgabe ist gleichzeitig sehr anspruchsvoll. Die Gemeinde kämpft mit einem Minus im Haushalt, gleichzeitig sind viele Straßen und Gebäude marode. Ist dort Licht am Ende des Tunnels?
Unsere Infrastruktur wird uns die nächsten 15 bis 20 Jahre beschäftigen, was energetische Sanierung und andere Baumaßnahmen betrifft. Den Investitionsstau müssen wir klar angehen. Ansonsten müssten wir Gebäude schließen oder verkaufen.
Ein Großprojekt ist die Sanierung der Lumdatalhalle. Wie wichtig ist deren Erhalt?
Man muss nicht erklären, was eine Schließung für das soziale Leben bedeutet hätte. Die Entscheidung der Politik für die Sanierung war darum richtig. Aktuell ist die Situation beim Brandschutz und der Elektrik im Gebäude prekär, das muss angegangen werden. Letztlich geht es bei der geplanten Sanierung um rund zwei Millionen Euro plus X - je nach den Angeboten der einzelnen Gewerke. Aber Schieben macht keinen Sinn, denn dann würde es nur noch teurer.
Für die Lumdatalhalle wird nach aktuellem Stand keine Förderung vom Bund fließen. Für die Sanierung der Sport- und Kulturhalle Rüddingshausen liegt ein Förderbescheid vor. Wie ist dort der Zeitplan?
Bis 30. September wird es bei der Hallennutzung wohl keine Einschränkungen geben. Die Ausschreibungen müssen noch erfolgen, es wird dieses Jahr wohl erst nur kleine Arbeiten geben. Sie sollen zudem so koordiniert werden, dass möglichst diese oder die Lumdatalhalle für Schulsport nutzbar ist. Ich bin froh, dass die Halle nun in einen Zustand versetzt wird, dass sie weitere 30 Jahre für die Gemeinde nutzbar ist. Die Förderung ist dabei enorm wichtig, und wir hoffen, dass sie noch bei weiteren Programmen mit Fördergeldern berücksichtigt wird. Denn auch hier hätte die Gemeinde vor der Frage »schließen oder sanieren« gestanden.
Für die Sanierung muss die Rabenau viel Geld in die Hand nehmen. Welche neuen Einnahmequellen wollen Sie dafür erschließen?
Es sind mehrere Projekte, die sich allerdings nicht in einem Jahr umsetzen lassen. Es ist ein langer Weg, der neben dem Tagegeschäft gegangen werden muss. Der Windpark bei Rüddingshausen, der Solarpark und das Mischgebiet in Odenhausen sind solche Projekte, von denen man sich deutliche Erträge erhofft. Aber vom Moment der ersten Unterschrift bis sich beispielsweise ein Windrad dreht, sind es aktuell fünf Jahre. Bei solchen Projekten erhöht es natürlich auch die Akzeptanz, dass das Geld in der Kommune bleibt.
Viele Hoffnungen liegen auf dem interkommunalen Gewerbegebiet mit Allendorf und Grünberg. Wie ist dort der Sachstand?
In den letzten Monaten hat sich vieles bewegt. Die Wasserversorgung ist nun geklärt, jetzt geht es Schritt um Schritt weiter, hoffentlich genauso schnell wie im letzten halben Jahr. Rabenau würde von den Gewerbesteuereinnahmen profitieren.
Dieses Jahr soll auch eine hohe Summe in Straßensanierungen gesteckt werden. Wie wichtig sind dabei die wiederkehrenden Straßenbeiträge?
Ohne sie ginge es nicht. Die wiederkehrenden Straßenbeiträge sind gerechter als Straßenbeiträge, welche nur die direkten Anlieger bezahlen. Würden wir es über die Grundsteuer finanzieren wollen, würden zum einen die Allertshäuser für eine neue Straße in Londorf zahlen. Zudem würde ein ordentlicher Anteil von jedem Euro Grundsteuer beispielsweise in die Kreis- und Schulumlage fließen. Aus meiner Sicht sind die wiederkehrenden Beiträge darum gerechter und effizienter.
Rabenau liegt verkehrsgünstig nahe der Autobahn 5. Was macht die Gemeinde noch zu einem lebenswerten Ort?
Neben der zentralen Lage mit kurzen Wegen nach Homberg/Ohm, Gießen, Marburg und Grünberg der Standort. Wir liegen landschaftlich sehr reizvoll, haben eine sehr gute Kinderbetreuung mit drei Kitas, zudem ein sehr intaktes Vereinsleben in allen Ortsteilen. Mit ausreichend Leuten, die sich ehrenamtlich für die Gemeinde und die Ortsteile einsetzen. Das ist ein guter Schlag Menschen hier, mit denen ich gerne lebe und arbeite!
Während in anderen Kommunen sich oft beschwert wird, was die Gemeinde oder der Bauhof machen müssten, hört man aus der Rabenau eher, dass die Leute selbst anpacken. Wieso ist das so?
Das ist der Geist der Rabenau. Die Menschen sind bei vielen Sachen pragmatisch. Für uns ist keine schnelle Hilfe vom Bund und Land in Sicht. Die Ortsteile zeichnen sich dadurch aus, dass die Bürger mit ehrenamtlichem Engagement Dinge erledigen, für welche der Gemeinde das Personal und das Geld fehlt. Ich bin froh über jeden, der sich so engagiert.
Ist das eine feste Größe?
Auch die Rabenau kennt das Problem des nachlassenden Engagements im Ehrenamt. Im Moment haben viele das Gefühl, dass in der Gesellschaft immer öfter nur auf sich geschaut wird, wie man sein Leben am Besten gestalten kann. Das große Ganze wird darüber vergessen. Die Frage darf nicht sein, was deine Gemeinde für dich tun kann, sondern muss die sein, was du für deine Gemeinde tun kannst. Gerade in kleinen Kommunen wird es sonst sehr schwierig werden in der Zukunft.
Demnächst gibt es mehrfach Grund zum Feiern. Der erste ist die Einweihung des Feuerwehrhauses Geilshausen, ein Projekt, das überörtlich Anerkennung findet.
Es ist auch dank der Vorarbeit meiner Vorgänger so gelungen. Geilshausen soll nun als Logistikzentrum der Feuerwehr der gesamten Rabenau dienen. Da es aber immer schwerer wird, Leute zu finden, die ihre Freizeit für die Feuerwehr opfern, muss die Ausstattung attraktiv bleiben. Darum ist nun die neue Bekleidung für die Einsatzabteilung an allen Standorten ein wichtiges Thema.
Die Kosten in Sachen Feuerwehrautos und Material sind in den letzten Jahren explodiert. Was bedeutet das für eine kleinere Kommune?
Das ist ein Problem. Früher kostete ein Einsatzleitwagen 180 000 Euro, nun sind es schon 250 000 Euro. Darum prüfen wir, ob eine Runderneuerung nicht wirtschaftlicher ist. Die Entscheidungen für ein neues Feuerwehrfahrzeug fallen bei den Preisschildern immer schwerer. Der Brandschutz muss sichergestellt sein, ebenso die Unversehrtheit der Einsatzkräfte, weshalb wir auch in ein Hygienekonzept mit entsprechendem Hygienewagen investiert haben. Aber ohne das Feuerwehrfahrzeugkonzept des Landkreises wäre es insgesamt nicht zu stemmen. Die Rabenau könnte keine eigene Drehleiter kaufen.
Aktuell ist das Rathaus in Londorf eine Baustelle. Was ist da los?
Die Verwaltung kommt im digitalen Zeitalter an - in Sachen Hausverkabelung. Das Netz ist Grundlage dafür, dass man die Verwaltung digital aufstellen und leistungsfähiger sein kann. Weiterhin erhalten die Dienstzimmer ein Upgrade. Um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein, gehört es dazu, in seine Mitarbeiter zu investieren.
Außerhalb des Rathauses wird gerade das Glasfasernetz gebaut. Es handelt sich zwar um einen privatwirtschaftlichen Ausbau. Wie sehr beschäftigt es dennoch die Kommune?
Es wird in fünf Ortsteilen von drei Anbietern gebaut, die verschiedene Ausbaufirmen beauftragt haben. Diese arbeiten in unterschiedlicher Qualität - Stichworte Baustellenabsicherung und Wiederherstellung. Es kostet viel Zeit und Nerven, das alles zu kontrollieren. Die Zeit dafür ist gut investiert, und wir leisten gerne unseren Beitrag dazu, die Rabenau in die digitale Zukunft zu führen. Aber es ist eine Hausnummer an Mehrbelastung, die Verwaltungskosten zahlt uns keiner. Bis der Ausbau in der Rabenau vorbei ist, vergehen noch mindestens zwei Jahre. Außerdem kämpfen wir noch für den Anschluss einiger Straßen, welche die Anbieter bislang nicht ans Glasfasernetz anbinden wollen.
Ein anderer Netzausbau lässt noch auf sich warten: Die Reaktivierung der Lumdatalbahn und der Anschluss ans Bahnnetz. Was würde er für die Rabenau bedeuten?
Ich stehe der Reaktivierung positiv gegenüber, da sie eine Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs in allen Ortsteilen wäre. Zumindest wenn die Menschen mit dem Bus aus allen Ortsteilen pünktlich an den Bahnhof gebracht werden. Bei der Reaktivierung sind aber der Landkreis und das Land in der Pflicht.